Professor-Messerschmitt-Straße

Lage im Stadtplan

Empfehlung der Kommission: Kontextualisierung. Am 28.11.2019 durch den Stadtrat bestätigt (BSV/19/03745-1).

Erläuterung: Mehrere Aspekte in der Biographie Willy Messerschmitts sind nach heutigem Erkenntnisstand ausgesprochen problematisch. Aufgrund der besonders engen Verflechtung der Person Messerschmitts mit der Augsburger Stadtgeschichte schlug die Kommission jedoch statt einer Umbenennung ein Ergänzungsschild mit folgendem Text vor:

Prof. Wilhelm Messerschmitt (1898-1978) erlangte als Flugzeugkonstrukteur und Erfinder internationale Anerkennung. Unberücksichtigt bei der Straßenbenennung 1980 blieben seine Mitgliedschaft in NSDAP und SS, seine führende Position in der NS-Rüstungsindustrie sowie die Ausbeutung Tausender Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in den Messerschmitt-Werken während des 2. Weltkriegs. (Stand 2019)

Kurzbiographie: Wilhelm „Willy“ Messerschmitt (1898-1978)

Geb. am 26.06.1898 in Frankfurt a. Main, gest. am 15.09.1978 in München. 1918-1923 Studium der Ingenieurwissenschaften in München. 1923 Gründung der Firma Messerschmitt Flugzeugbau GmbH in Bamberg. Ab 1927 Kooperation mit der Bayerischen Flugzeugwerke AG (BFW) und Umzug nach Haunstetten. 1933 Eintritt in die NSDAP. (Weitere Mitgliedschaften in NS-Organisationen: förderndes Mitglied der SS seit 1933, DAF seit 1933, NS-Bund Deutscher Technik seit 1937, RLB, NSV, NSFK). 1938 Gründung der Messerschmitt AG. Seit 1930 Lehrauftrag an der TH München, ab 1937 Honorarprofessor. 1938 Auszeichnung mit dem Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft, 1939 mit dem Goldenen Ehrenring der Stadt Augsburg. Ab 1941 Vizepräsident der Deutschen Akademie für Luftfahrtforschung. Aufstieg der Messerschmitt AG zu einem der wichtigsten Rüstungsbetriebe im Reich. 1942 Niederlegung des Vorstandsvorsitzes seines Unternehmens. Nach Kriegsende vorrübergehend interniert. Ab 1948 Wiederaufbau der Firma, Flugzeugbau erst wieder ab 1957. 1968 Fusion mit Bölkow und 1969 mit Blohm zur Messerschmitt-Bölkow-Blohm-GmbH (MBB), deren Teilhaber er wurde. 1969 Ehrung mit dem Großen Bundesverdienstkreuz.

Die Messerschmitt AG avancierte in den 1930er Jahren zu einem der bedeutendsten Rüstungsbetriebe im Deutschen Reich. Mit der Me 109 produzierte sie das meistgebaute (35.000 Stück bis 1945) Jagdflugzeug, mit der Me 209 das lange Zeit schnellste Propellerflugzeug und mit der Me 163 den ersten eingesetzten Raketenjäger der Welt. Die „Wunderwaffe“ Me 262 war das erste in Serie hergestellte Düsenflugzeug. Zeitweise stammten mindestens zwei Drittel aller Maschinen der Luftwaffe aus den Messerschmitt-Werken.

1939 wurde Willy Messerschmitts Unternehmen als „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“ ausgezeichnet. Während des Krieges erhielt er den Titel „Pionier der Arbeit“ und wurde zum „Wehrwirtschaftsführer“ ernannt. Neben der Tätigkeit als Chefkonstrukteur bei der Messerschmitt AG war er 1938-1942 Vorstandsvorsitzender, Generaldirektor und Betriebsführer. Nach Differenzen mit der Luftwaffenführung musste Messerschmitt im Mai 1942 den Vorstandsvorsitz seines Unternehmens niederlegen und wurde in das Entwicklungsbüro zurückversetzt.

Vermutlich ab Ende Februar 1943 setzte der Messerschmitt-Konzern im großen Stil KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter bei der Produktion ein, wobei diese im September 1943 einen Anteil von 16,2% und im Februar 1945 27,5% der Arbeitskräfte ausmachten. Eingesetzt waren am 15.10.1944 insgesamt über 5.000 KZ-Häftlinge an neun Betriebsstätten, die meisten in Augsburg, Leonberg und Kottern. Viele der in Augsburg während des Krieges eingesetzten Zwangsarbeiter, insbesondere aber die Mehrzahl der in den regionalen Außenlagern des KZ Dachau (z.B. in Haunstetten und Pfersee) untergebrachten Häftlinge, mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen für die Messerschmitt AG arbeiten. Die hygienischen Verhältnisse und die Versorgung in den KZ-Außenlagern waren völlig unzureichend. Mangelernährung und Krankheit waren alltägliche Erscheinungen, auch fanden Misshandlungen und Exekutionen statt. Viele Häftlinge überlebten diese Torturen nicht, die genaue Zahl der Todesopfer unter den bei Messerschmitt beschäftigten Zwangsarbeitern ist jedoch (noch) nicht bekannt.

Nach Kriegsende und seiner vorübergehenden Internierung wurde Willy Messerschmitt im Entnazifizierungsverfahren als „Mitläufer“ eingestuft. Vom Flugzeugbau in Deutschland musste er bis 1957 aus politischen Gründen Abstand nehmen. Sein Unternehmen produzierte zunächst Fertighäuser, Nähmaschinen und Klein-Kraftfahrzeuge. In den 1950er Jahren baute er zunächst in Francos Spanien und später in Ägypten die nationale Flugzeugindustrie mit auf. Im Jahr 1955 kehrte er nach Deutschland zurück und produzierte im Kalten Krieg für die deutsche Luftwaffe, später auch für die NATO, Flugzeuge.

Benennungsjahr: 1980

Literatur- und Quellenauswahl:

  • Artikel Willy Messerschmitt, in: Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Koblenz 2011, S. 405.
  • Ebert, Hans u.a.: Willy Messerschmitt. Pionier der Luftfahrt und des Leichtbaues, Bonn 2008.
  • Hetzer, Gerhard: Unternehmer und leitende Angestellte zwischen Rüstungseinsatz und politischer Säuberung, in: Broszat, Martin (Hrsg.): Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland, München 1988, S. 552-591.
  • Kucera, Wolfgang: Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge in der Augsburger Rüstungsindustrie, Augsburg 1996.
  • Messerschmitt, Wilhelm Emil (Artikel), in: Grünsteudel, Günther u.a. (Hrsg.): Augsburger Stadtlexikon, Augsburg 1998, S. 651.
  • Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Bauten erinnern. Augsburg in der NS-Zeit (Schriften des Architekturmuseums Schwaben 19), Augsburg 2012.
  • Pabst, Martin: Willy Messerschmitt: Zwölf Jahre Flugzeugbau im Führerstaat, Oberhaching 2007.