Langemarckstraße

Lage im Stadtplan

Empfehlung der Kommission:

Umbenennung. Durch den Stadtrat im April 2020 bestätigt (BSV/20/04301). Die Straße wurde im Mai 2021 in „Familie-Einstein-Straße“ umbenannt. Mit der neuen Namensgebung soll die von den Nationalsozialisten 1939 gegebene Bezeichnung ersetzt werden. Der Name „Langemarck“ kann aus heutiger Sicht nicht für eine neutrale Ortsbezeichnung stehen, da er vom NS-Regime bewusst als Element der Propaganda eingesetzt wurde, um besonders junge Menschen für Krieg, Selbstaufopferung und den „Heldentod“ für Vaterland zu begeistern.

Erläuterung:

Im Jahr 1939 erfolgte auf Vorschlag des Leiters der NSDAP-Ortsgruppe Kriegshaber die Umbenennung der Habsburgerstraße in Langemarckstraße. Die Kommission erachtet die Beibehaltung dieses auf ein Gefecht des ersten Weltkriegs zurückgehenden, insbesondere von den Nationalsozialisten für Kriegspropaganda und -verherrlichung missbrauchten Namens als nicht weiter tragbar. Sie empfahl deswegen eine Umbenennung und das Anbringen eines Erläuterungsschildes mit folgendem Text:

Diese Straße hieß von 1939 bis 2021 Langemarckstraße. Sie war benannt nach einem strategisch unbedeutenden Gefecht des 1. Weltkriegs, das in der Nähe des belgischen Orts Langemark stattfand. Der nach 1918 konstruierte „Langemarck-Mythos“ sollte junge Menschen für Krieg und „Heldentod“ begeistern. Die Nationalsozialisten nutzten dies propagandistisch zur Kriegsführung. (Stand 2021)             

Der Begriff „Langemarck“

Langemark (bis 1945 Schreibweise „Langemarck“) ist ein Ort in Belgien (Gemeinde Langemark-Poelkapelle, 8 km nördlich von Ypern), der im Ersten Weltkrieg, v.a. im Herbst 1914, während des „Wettlaufs zum Meer“ heftig umkämpft war. Bekannt wurde er durch den am 10.11.1914 unternommenen, verlustreichen Angriff neu aufgestellter deutscher Reservetruppenteile auf die feindlichen Linien, der in der Folge propagandistisch überhöht und zum Sinnbild selbstloser Opferbereitschaft der Jugend stilisiert wurde.
Laut Darstellung der Obersten Heeresleitung hätten junge Regimenter, „Deutschland, Deutschland über alles“ singend, die französischen Stellungen gestürmt und durch ihren mutigen Einsatz einen bedeutenden Sieg errungen. Tatsächlich handelte es sich um einen erfolglosen, sehr verlustreichen Angriff, an dem nur wenige jugendliche Soldaten beteiligt waren. Dass bei dem Sturmangriff das „Deutschlandlied“ gesungen worden sei, ist eine nachträgliche Erfindung.

Unmittelbar nach Kriegsende begann die Legendenbildung und die Mystifizierung der Ereignisse. In besonderem Maße wurde der „Langemarck-Mythos“ von den Nationalsozialisten (zuerst v.a. bei HJ und NS-Studentenbund) aufgegriffen und vereinnahmt. Der Begriff avancierte zu einem bedeutenden Element in der nationalsozialistischen Propaganda. Literatur und Theaterstücke verklärten die historischen Ereignisse; es gab Langemarck-Feiern, bestimmte, sich auf die Schlacht beziehende Ehrenauszeichnungen und ein sogenanntes Langemarck-Studium. Mehrere (Bau-)Denkmäler wurden errichtet (z.B. 1936 die Langemarckhalle auf dem Berliner Reichssportfeld) und vielerorts Straßen oder Plätze entsprechend benannt. Im Zweiten Weltkrieg trug eine im besetzten Belgien aufgestellte Freiwilligendivision der Waffen-SS den Namen „Langemarck“.

Benennungsjahr: 1939

Literatur- und Quellenauswahl:

  • Artikel Langemarckfeiern/Feiergestaltung, in: Benz, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 2007, S. 507.
  • Artikel Langemarck-Studium, in: Benz, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 2007, S. 618f.
  • Biegert, Hans: Realität und Mythos im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Langemarck/Ypern, in: Leviathan 44, Heft 1 (2016), S. 97-125.
  • Dithmar, Reinhard: Der Langemarck-Mythos in Dichtung und Unterricht, Neuwied 1992.
  • Krumeich, Gerd u.a. (Hrsg.): Deutschland, Frankreich und der Krieg. Historische Studien zu Politik, Militär und Kultur, Essen 2015.
  • Unruh, Karl: Langemarck. Legende und Wirklichkeit, Koblenz 1996.