Prunkurkunden zum 150-jährigen Dienstjubiläum von Oberbürgermeister Ludwig von Fischer

Ludwig von Fischer wurde am 5. Oktober 1832 als Sohn eines Advokaten in Sulzbach in der Oberpfalz geboren. Bereits als Kind zog er nach Augsburg und besuchte das hiesige Gymnasium bei St. Stephan. Anschließend studierte er von 1850 bis 1854 Jura in München und Berlin. Nach dem Ende seines Studiums kehrte er nach Augsburg zurück und wurde 1862 zum Zweiten Bürgermeister gewählt. Nachdem er im Januar 1866 zum Bürgermeister auf Lebenszeit ernannt worden war, wurde Ludwig von Fischer am 8. Mai 1866 durch die Gemeindebevollmächtigten zum Ersten Bürgermeister der Stadt Augsburg gewählt. Das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten besaß zu diesem Zeitpunkt das Wahlrecht für den Ersten Bürgermeister und bildete zusammen mit dem Magistrat die Leitung der Gemeindeverwaltung. Gemeinsam waren sie die Vorgängerinstitutionen des heutigen Stadtrates. Erst mit der sogenannten „Süddeutschen Ratsverfassung“ 1919 wurde der Stadtrat eingeführt und seitdem wird auch der Oberbürgermeister direkt von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Augsburg gewählt.

Das Amt des Ersten Bürgermeisters entstand in Bayern in Folge der Säkularisation und Mediatisierung, von der auch die ehemalige freie Reichsstadt Augsburg 1806 betroffen war, sowie dem damit verbundenen zweiten Gemeindeedikt 1818. Der heute in Deutschland gängige Titel des Oberbürgermeisters existiert erst seit 1907.

Die vorliegende Urkunde wurde Ludwig von Fischer zum 25-jährigen Dienstjubiläum am 8. Mai 1891 überreicht. In seinem Nachlass befinden sich nicht nur diese prunkvolle Jubiläumsurkunde der Stadtverwaltung, sondern weitere Glückwunschurkunden von Vereinen und Verbänden. Insgesamt war Fischer 34 Jahre als Erster Bürgermeister für die Stadt Augsburg tätig. Bis heute hat kein anderer Oberbürgermeister dieses Amt über so viele Jahre ausgeübt.

Seine Amtszeit war von einem großen wirtschaftlichen Aufschwung für Augsburg geprägt, der dem Florieren der Textilindustrie und der Maschinenfabrikation (u. a. MAN) zu verdanken war. Augsburg entwickelte sich dadurch endgültig zu einem der größten Industriezentren in Bayern. Auch die Bevölkerungszahl wuchs stark an, so dass Augsburg nach München und Nürnberg zur drittgrößten bayerischen Stadt wurde. Um diese Entwicklung zu fördern und Raum für eine Ausdehnung der Stadt zu schaffen, wurden die westlichen Stadtmauern und -tore abgerissen. Dies war möglich geworden, da die Festungseigenschaft Augsburgs 1866 aufgehoben worden war.

Auch die Kulturlandschaft förderte Fischer während seiner Regierungszeit. Sinnbildlich hierfür steht der Bau des noch heute erhaltenen Stadttheaters am Kennedyplatz.

Eines der größten Projekte Ludwig von Fischers war jedoch die Planung einer Straße, die die Untere Maximilianstraße direkt mit dem Königsplatz verbinden sollte. Ab 1897 war er daran aktiv beteiligt. Die Umsetzung der Pläne erlebte Fischer jedoch nicht mehr. Er verstarb am 8. Januar 1900. Der Beschluss zur Umsetzung erfolgte erst am 15. Oktober 1903. Der Bau der Straße war der größte freiwillige Eingriff in das Augsburger Stadtbild der oberen Altstadt im 20. Jahrhundert. Über 21 Gebäude mussten abgerissen werden. Am 15. März 1904 beschloss der Magistrat die neue Straße zur Ehren von Ludwig von Fischer „Bürgermeister-Fischer-Straße“ zu nennen, die den Augsburgern heute als Fußgängerzone noch immer ein Begriff ist.

Die letzten Jahre von Fischers Amtszeit sind allerdings umstritten. Denn er zog sich vom politischen Geschehen immer weiter zurück und traf seine Entscheidungen häufig lieber im Alleingang. Dies brachte ihm häufig Kritik ein.

Neben seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister der Stadt Augsburg war Ludwig von Fischer ab 1863 für wechselnde Wahlkreise (Immenstadt, Augsburg, Heidenheim-Ulm und Bayreuth) Mitglied des bayerischen Landtages für die Fortschrittspartei. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 setzte er sich aktiv für den Erhalt bayerischer Reservatrechte ein. Dies waren besondere Hoheitsrechte, welche das Deutsche Reich Bayern gewährte. Hierzu gehörten unter anderem eine eigene Bier- und Branntweinsteuer, das Heimat¬recht, Oberbefehl des bayerischen Königs über das bayerische Heer und eine eigene Organisation des Post- und Eisenbahnwesens.

Im Jahr 1891 wurde Fischer Mitglied im ersten Präsidium des Alldeutschen Verbands. Dieser setzte sich für den Aufbau einer deutschen Flotte, die deutschen Interessen im Ausland, Expansion und Ausweitung der deutschen Kolonien sowie für die Förderung des Deutschtums ein. Die Entwicklung des Verbandes hin zu einer radikalen völkischen Ideologie fand allerdings erst 1903 und damit nach dem Ableben Fischers statt.