Nachricht an die Nachkommen

Turmknopfurkunde des alten Augsburger Rathauses, 1781

Der Bericht aus dem Jahr 1781, in dem bei Reparaturen an den kupfernen Dachungen des Rathauses auch der schadhafte vergoldete südseitige Turmknopf (gegen den Eisenberg) abmontiert wurde, stammt aus einer ursprünglich in dieser Turmkugel verwahrten Kupferkapsel. Er wurde dem erneuerten Knopf, der am 27. 10. 1781 wieder auf das Rathaus aufgesetzt wurde, beigefügt.
„Turmknopfurkunden“ als beliebte Zeitdokumente vor allem bei Kirchenbauten seit dem 17. Jahrhundert sollten die Nachwelt über die Umstände der Baumaßnahmen, die Lebensverhältnisse der Zeitgenossen oder bemerkenswerte Nachrichten aus der politischen Zeitgeschichte informieren. Sie konnten z. B. die Namen der örtlichen Entscheidungsträger (Bürgermeister etc.), Informationen zu den Lebensmittelpreisen, aktuelle Münz- und Geldsorten u. ä. enthalten und überdauerten dann in exponierter Lage die kommenden Jahrhunderte.

Der Verfasser vorliegender „Urkunde“ gibt hierin eine detailgenaue Beschreibung des Turmknopfes aus dem Augsburger Rathaus wieder. Dieser wog demnach 127 ½ Pfund, wies ein Hohlmaß von 2 Schaff und 1 Metzen auf und war in seinem Durchmesser so groß, dass in jeder seiner Halbschalen ein Mensch liegen konnte. Oben auf dem Turmhelm fanden die Bauleute des 18. Jahrhunderts einen Heller mit der angeblichen Jahreszahl 1628 und schlossen daraus, dass der Turmknopf in diesem Jahr angebracht worden sei. Tatsächlich hatte, wie auch Elias Holl in seiner Chronik vermerkt, der Baumeister bereits Ende 1618 die beiden vergoldeten Kugeln mit „aigner handt auf den Hauben angebracht.

Interessant ist der Hinweis auf eine Inschrift, die auf der alten, gotischen Kugel angebracht war. Demnach hatte der Augsburger Goldschmied Jörg Zorer am 22. Juni 1515 diesen Knopf vergoldet. Durch die Maße der Kugel und jüngere, historische Notizen (Chronik Pauls von Stetten) verleitet, vermuteten die Bausachverständigen, dass es sich hier um den ebenfalls 1515 durch Zorer gefertigten Turmknopf am „Lueginsland“ handle. Dieser Turm wurde bereits 1532 abgetragen, dessen Kugel hätte danach für den neuen Rathausbau Verwendung gefunden.
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Holl für seinen Neubau des Rathauses jene goldene Kugel verwendete, die einst den zierlichen Turm des gotischen Rathauses bekrönte (siehe Abb. des Rathaus-Modells). Das im 13. Jahrhundert erstmals erwähnte, im Jahr 1385 in Stein errichtete Rathaus erfuhr in den Jahren 1510–1516 größere Umbauten. Dabei wurde, wie u. a. die zeitgenössische Chronik des Wilhelm Rem schildert, im Jahr 1516 auch „der thuren am Rathaus erhöchert, da die stundglogken inen hangt“. Neben dem Werkmeister Jakob Zwitzel war auch der Goldschmied Jörg Zorer an diesem Umbau beteiligt. Für das Vergolden einer neuen Rathausuhr „und den knopff aupf dem thurnlin doselbs“ belohnten ihn die Baumeister am 2. August 1516 mit 65 Gulden, als Materialkosten sind für diese Arbeit 106 Dukaten belegt.

Die goldene Kugel des alten und somit auch neuen Augsburger Rathauses fiel wie der größte Teil der historischen Stadt im 2. Weltkrieg den Flammen des Bombenangriffs vom 25./26. Februar 1944 zum Opfer. Die Turmknopfurkunde und ihr Behälter überstanden dieses Inferno jedoch nahezu unversehrt. Sie wurden bei den Aufräumarbeiten im Rathaus gefunden und am 6. März 1944 von Wachtmeister Andreas Miller an die Stadtverwaltung abgegeben.