Die Augsburger Jahre der Marianne Zoff

Auf der großen Bühne war sie zuhause, zur echten Berühmtheit aber wurde Marianne Zoff erst durch Heirat. Als sie 1919 ein Engagement beim Augsburger Stadttheater erhielt, wollte die Schauspielerin und Opernsängerin eigentlich nur die Weichen für ihre berufliche Karriere stellen. Hinter den Vorhängen jedoch lernte sie ihren zukünftigen Ehemann kennen – Bertolt Brecht. Im Stadtarchiv sind in jüngster Zeit Dokumente des städtischen Einwohneramts ans Tageslicht gekommen, die interessante Schlaglichter auf die turbulenten Augsburger Jahre der Künstlerin werfen.

Marianne Zoff wurde am 30. Juni 1893 in Hainfeld (Niederösterreich) geboren. In Wien machte die Tochter eines Offiziers und Bahnbeamten ihr Abitur, sie nahm Schauspiel- und Gesangsunterricht als Mezzosopranistin und absolvierte kleinere Auftritte. Während des Ersten Weltkriegs verlobte sie sich mit dem deutlich älteren und vermögenden Geschäftsmann Oskar Camillus Recht, seit 1917 lebten die beiden zusammen in München – zur Heirat kam es nicht.

Mariannes Augsburger Zeit begann mit ihrem Engagement am Stadttheater im Herbst 1919. Sie zog deshalb von München in die Billerstraße 33 nach Oberhausen und von dort im Dezember in den zweiten Stock des prominenten „Welserhauses“ (Karolinenstraße 21) mitten im Stadtzentrum. Die genauen Wohnorte der Künstlerin können im Stadtarchiv über die Meldeunterlagen des städtischen Einwohneramtes tagesgenau nachvollzogen werden. Die Unterlagen belegen auch: Einsam war Fräulein Zoff in Augsburg nicht. Ihre Schwester Trude begleitete sie als „Haushaltsstütze“, auch die Mutter Sidony hielt sich für längere Zeit bei ihren Töchtern auf. Während Mariannes Debuts beim Stadttheater verweilte auch der Vater Otto in Augsburg. Dort spielte Zoff am 23. September 1919 die Rolle des „Zigeunermädchens Mercédès“ in der Oper Carmen. In den folgenden Monaten übernahm sie die Titelpartie des Stücks, sang im Goldschmied von Toledo, in Smetanas Oper Die verkaufte Braut und anderen Stücken.

Im Juni 1920 beantragte Marianne Zoff beim Einwohneramt die Ausstellung eines Reisepasses für ein Engagement in Wien über die Sommermonate. Das im Zuge des akribischen Verwaltungshandelns der Augsburger Beamten dokumentierte Passfoto zeigt die Künstlerin in der mageren Nachkriegszeit elegant und modisch mit Pelzschal und Ballonmütze. Kein Wunder – Zoffs Financier im Hintergrund war nach wie vor Oskar Recht, der auch nach dem Umzug nach Augsburg um seine Geliebte warb.

Nach ihrer Rückkehr nach Augsburg im September, nun mit Wohnsitz in der Werderstraße 12, blieb Marianne Zoff dem Stadttheater für eine weitere Spielzeit erhalten. Wohl im Dezember 1920 saß der damals 22jährige Bertolt Brecht als Augsburger Volkswille-Theaterkritiker im Publikum. Magisch angezogen von deren Ausstrahlung machte er ihr hinter den Kulissen Avancen. Indem sich Zoff auf eine Liebesbeziehung mit dem Schriftsteller einließ, wurde sie Teil des Dramas „Brecht und die Frauen“, welches heute mühelos ganze Bücher füllt. Dieses endete auch nicht, als Zoff im Juni 1921 Augsburg verließ. Weder Zoff noch Brecht (liiert mit Paula Banholzer) wollten zunächst ihre bestehenden Beziehungen lösen. Als Marianne Zoff von Recht schwanger wurde, ließ sie abtreiben. Das Beziehungsdrama gipfelte in schweren Auseinandersetzungen zwischen den Rivalen Brecht und Recht und einem Abgang nach erneuter Schwangerschaft (diesmal von Brecht). Als Marianne erneut von Brecht ein Kind erwartete, heirateten sie schließlich im November 1922 in München.

Lange hielt die Ehe nicht. Geplagt von der Untreue ihres Mannes ließ sich Marianne während ihres Engagements in Münster mit dem Schauspieler Theo Lingen ein. 1927 wurde die Ehe mit Brecht geschieden.

Dank der Popularität ihres zweiten Ehemannes blieb Marianne Lingen-Zoff als Halbjüdin vor der Verfolgung der Nationalsozialisten weitgehend verschont. Sie starb am 22. November 1984 in ihrer Heimat Wien.

MF