Kleine Augsburger Christbaumgeschichte(n)

Jedes Jahr zur Weihnachtszeit thront über dem Rathausplatz der große Augsburger Christbaum. Mit seinen vielen Lichtern sorgt er für eine festliche Atmosphäre und erfreut die Besucher des Christkindlesmarktes. Erstmals scheint es ihn in den 1920er Jahren gegeben zu haben. Unter dem Motto „Christbaum für alle“ sollte er auch diejenigen erfreuen, die sich selbst keinen Weihnachtsbaum leisten konnten. Aufgestellt wurde er jedoch nicht auf dem Rathausplatz, sondern auf dem Rathausbalkon. Denn der Rathausplatz in seiner heutigen Form war noch nicht vorhanden und entstand erst durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges.

1931 kam es dann zu einer Christbaumkrise. Eigentlich wurden die Kosten für den Christbaum sowie die weihnachtliche Turmmusik am Heiligen Abend von der Stadt sowie dem Verkehrsverein Augsburg finanziert. Doch der Verkehrsverein teilte Anfang Dezember mit, dass es ihm nicht mehr möglich sei, seinen Anteil zu tragen. Die Presse befürchtete schon, dass der „Christbaum für alle“ nicht mehr aufgestellt werden könnte. Nachdem jedoch die Stadtverwaltung die Kosten für den Baum übernahm und die Musikkapelle des Roten Kreuz sich dazu bereit erklärte, das Spielen der Turmmusik kostenlos zu übernehmen, war der Christbaum gerettet. Unter dem erleuchteten Baum präsentierte das Rote Kreuz dem Publikum am Heiligen Abend klassische Weihnachtslieder wie „Stille Nacht“, „O du fröhliche“ oder „Vom Himmel hoch“, aber auch ungewöhnlichere Stücke wie das „Niederländische Dankgebet“.

Zwei Jahre später gab der Christbaum ein klägliches Bild ab. Zwar hatte die Forstverwaltung einen „selten schönen Baum“ im Haunstetter Wald ausgesucht, doch durch unsachgemäßen Transport brachen gefrorene Äste ab, so dass der Baum „auf der Seite gegen den Perlachturm einen geradezu lächerlichen Eindruck machte.“ Erst in letzter Minute konnte die Forstverwaltung den Christbaum durch nachträglich eingesetzte Äste noch etwas verschönern.

Während der nationalsozialistischen Herrschaft forderte die Propaganda über Rundfunk und Presse die Menschen auf, die Industrie zu unterstützen und Christbaumschmuck zu kaufen. Daher wendete sich 1934 die Firma Hartmann an die Stadt Augsburg und wünschte, alle „öffentlich aufgestellten Christbäume durch […] Schmuck mit Glaskugeln bedeutend reizvoller zu gestalten“. Denn dies würde der „notleidenden Christbaum-Schmuck Industrie Arbeit und Brot verschaffen, und somit nur im Sinne unseres Führers“ sein. Andere Städte wie Köln oder Frankfurt hätten dies bereits im vorangegangenen Jahr getan. Die Stadt Augsburg kam jedoch zu einem ganz anderen Entschluss: „Das Ausschmücken [des Baumes] mit elektrischen Leuchtkörpern dürfte hiezu vollständig ausreichen, da der Baum hauptsächlich bei Nacht wirken soll.“  Bis heute ist es dabei geblieben: Der Christbaum auf dem Rathausplatz wird nicht aufwendig geschmückt, sondern verbreitet nur durch seinen Lichterglanz vorweihnachtliche Freude.

Sogar in den USA sorgte der Augsburger Christbaum bereits für Furore. Als 1937 die S.D. Warren Co. Papiermanufaktur aus Boston eine Ausstellung zum 300. Jahrestag der Druckerei in den Vereinigten Staaten machen wollte, baten sie die Stadt Augsburg um sechs bis zwölf Exemplare der Postkarte „Der Christbaum ist für alle am Augsburger Rathaus“. Ihnen hatte die Karte so gut gefallen, dass sie diese in die Ausstellung integrieren und in verschiedenen amerikanischen Städten zeigen wollten. Leider fiel die Übersetzung des englischen Anschreibens bei der Augsburger Stadtverwaltung ungenau aus, so dass Verwirrung herrschte. Die Stadt wusste nicht, wofür die Postkarte denn genau gebraucht würde und ob vielleicht kommerzielle Interessen im Hintergrund stünden. Letztlich scheiterte die Ausstellung der Augsburg Christbaumkarte jedoch daran, dass alle Exemplare vergriffen waren.

Ganz egal, ob der Augsburger Christbaum auch in Amerika bekannt ist oder seine Äste vielleicht einmal krumm und schief sind, er stimmt die Augsburger seit vielen Jahren auf Weihnachten ein und wird auch in den nächsten Jahrzehnten ein „Christbaum für alle“ sein.