Lucas Voch – Ein Architekt, der nur in Büchern steht

Augsburg war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einer der bedeutendsten deutschen Verlagsorte für architekturtheoretische und technische Literatur. In der zweiten Jahrhunderthälfte kamen mehr und mehr praxisorientierte Werke auf den Markt. Dazu zählen auch die Publikationen des bekannten Brunnenmeisters Caspar Walter. Eines seiner letzten Werke, Architectura hydraulica, oder: Anleitung zu denen Brunnenkünsten (2 Bände), wurde 1765 vom Architekten Lucas Voch verlegt, außerdem fertigte Voch dazu auch sämtliche Zeichnungen an. Offenbar fand Voch seine Berufung in der Rolle des technischen Schriftstellers, zwischen 1766 und 1783 folgten insgesamt 37 praxisnahe Abhandlungen angefangen bei Lexika zu Baubegriffen über Anleitungen zu Konstruktionszeichnungen bis hin zu einem Ratgeber bei Baustreitigkeiten. Das Stadtarchiv Augsburg besitzt ein Manuskript Vochs zur Strom-Bau-Kunst von 1771, das nie veröffentlicht wurde und jetzt erstmals zu sehen ist.

Lucas Voch (1728–1783) war der Sohn eines Augsburger Lehrers und Mathematikers. Nach einer gründlichen mathematischen Ausbildung beim Vater ging er nach Berlin, um sich mit allen Aspekten des Bauwesens vertraut zu machen. Seine profunden Kenntnisse publizierte er bei den verschiedensten Augsburger Verlagen. Zwischen 1766 und 1783 erschienen in dichter Folge verschiedene praxisnahe Abhandlungen. Zu den noch heute zitierten Werken zählt vor allem die in vier Bänden 1780–1782 erschienene Bürgerliche Baukunst, wo er z. B. auch ausführlich auf die Anlage von Krankenhäusern oder Waisenhäusern einging. Voch verfasste auch Unterrichtsbücher, so etwa 1777 Deutliche Anweisung zur Verfertigung der Baurisse, wie solche ohne mündlichen Unterricht von selbsten zu erlernen. Allen jungen Maurer- und Zimmergesellen, Lehrjungen und andern Liebhabern zum Besten entworfen. Die Nachfrage scheint groß gewesen zu sein, noch 1806 erschien eine vierte, überarbeitete Auflage in Leipzig.

Seit 1781 war Voch als Zimmerhofschreiber auf dem städtischen Bauhof, der Lechhütte, angestellt. In dieser Funktion musste er die Lohnbuchhaltung für alle dort Beschäftigen führen, Sorge für sämtliche Werkzeuge und Holzvorräte tragen und außerdem die Sägemühle des Bauhofs überwachen. Doch auch schon vorher hatte er offenbar Aufträge von der Stadt übernommen, wie eine Lechkarte von 1772 zeigt. Im Juni 1781 übertrug ihm der Rat zusätzlich die Einteilung der Häuser in den Stadtbezirken im Rahmen der Einführung des sogenannten „Litera-Systems“. Bis März 1938 blieb die von Voch konzipierte Kombination aus Buchstabe und Zahl als amtliche Adressenform gültig.

Bereits 1767 hatte Voch ein kleines Bändchen unter dem Titel Anleitung zum Wasserbau an Flüssen und Strömen, denen daran wohnenden, wie auch angehenden Architekten und andern Liebhabern der Wasserbaukunst zum Nutzen im Druck herausgegeben. In der Einleitung bezeichnete er dies nur als Vorläufer eines wichtigern Werkes, worinnen weder an hinlänglichen guten Zeichnungen, als deren Ausführungen nichts ermangeln wird. Jedoch erst elf Jahre später publizierte er 1778  Strombau an dem Lech und Wertach, oder Beschreibung der Packwerken, Archen, und Kästen, wie auch einiger Wasserwehren, wie solche in beyden Flüßen erbauet worden sind. Hier zeichnete er zehn Kupfertafeln zur Veranschaulichung.

Das vorliegende, nie veröffentliche Manuskript  Versuch in der Strom=Bau=Kunst, Ersten Theils ist als weiteres theoretisches Werk der Wasseringenieurskunst zu sehen. Es gliedert sich in 16 Kapitel, unterteilt in drei sogenannte Proben. In den Kapiteln I–X (erste Probe) werden die allgemeinen Grundlagen abgehandelt, von den benötigten Werkzeugen, den Eigenschaften der Flüsse, über Schöpfwerke und Schlagwerke (Rammen) bis zu den möglichen Einbauten, um einen Flusslauf zu korrigieren und die Ufer zu befestigen. In der zweiten Probe, Kapitel XI–XIV schildert Voch die Konstruktion sowie die benötigten Materialen zum Bau von Faschinen, Archen und Kästen. In den letzten beiden Kapiteln (dritte Probe) widmet sich der Autor den Gebrauchsmöglichkeiten der vorgestellten Einbauten sowie Fragen der Reparatur. Zuletzt folgen 18 Zeichnungen, auf die in den Ausführungen jeweils verwiesen wird. Einige der ausklappbaren, fein ausgearbeiteten Zeichnungen sind auch signiert und datiert (1770–1772). Warum ausgerechnet dieses Manuskript nicht veröffentlicht wurde, konnte bisher nicht geklärt werden. Neben den vielen Abbildungen im Anhang hat Voch auch in den Textseiten Skizzen eingearbeitet. Vielleicht haben zu hohe Druckkosten das Projekt in der Schublade verschwinden lassen; wie aus dem Titel hervorgeht, plante er noch einen zweiten Teil.

Lucas Voch heiratete erst 1777 mit 49 Jahren Regina Catharina Hänlin, die Witwe eines Perückenmachers. Er hinterließ keine Erben. Das Manuskript gelangte zwei Jahre nach seinem Tod 1785 in den Besitz von Christoph Andreas Nilson (1760–1833), der als Zeichner und Kupferstecher tätig war und am Gymnasium bei St. Anna 1786–1807 Mathematik unterrichtete. Wie Voch veröffentlichte auch Nilson einige Schriften zur Architektur bzw. Materialien für den Schulunterricht. Neben dem Manuskript besaß Nilson noch Pläne von Voch, wie aus dem gedruckten Auktionskatalog des Augsburger Antiquars Wilhelm Bierett von 1834 hervorgeht. Einziger weiterer Besitzervermerk ist ein Stempel des städtischen „Bau-Bureaus“ Augsburg.