Der Augsburger Fischgraben im Jahr 1557

Am Oberen Graben, vor dem Barfüßer- oder „Stäffingertor“ gelegen, befand sich in reichsstädtischer Zeit der sog. Fischgraben, der mit Quellwasser des Brunnenbachs gespeist wurde. Hier wurden seit dem Mittelalter in Kästen und Körben Fische und Krebse gehalten. Neben dem Fischmarkt beim Rathaus diente auch der Fischgraben bis ins 20. Jahrhundert als zentraler Verkaufs- und Umschlagplatz der Augsburger Stadtfischer.

Wohl im Zusammenhang mit dem Ausbau der Stadtbefestigung und der Erneuerung der Trinkwasserversorgung in den 1540/50er Jahren entschloss sich der städtische Rat im Jahr 1545, auch den Fischgraben mit „bequeme(n) Fisch-Kästen“ auszustatten, die im Jahr 1578 nochmals eine Verbesserung erfuhren (Stetten, I, S. 382 u. 625).

Der kürzlich in den Akten des Baumeisteramts neu aufgefundene Plan (a) zeigt in schematischer Darstellung diesen baulichen Zustand im 16. Jahrhundert, noch vor dem großen Umbau des Barfüßertors (b) durch Elias Holl (1611). In einer großzügigen Anlage sind beiderseits des Grabens in zwei bzw. drei Reihen 283 Fischkästen eingezeichnet und mit Nummern versehen. Die ebenfalls erhalten gebliebenen Pächterverzeichnisse der Jahre 1557 und 1558 geben über deren konkrete Nutzung Auskunft. Neben den namentlich bekannten Vertretern der Augsburger Fischerzunft wie die Fischerdynastien der Pfefferlin oder Gersbach, die neben dem Tor ihre Kästen, „Henckin“ oder Häuschen besaßen, war eine bestimmte Anzahl an Behältern auch für die Stadt selbst reserviert.

Die Verpachtung der restlichen freien Plätze um einen Jahreszins von 1 Gulden erfolgte an Michaeli (29. September) jährlich neu durch Losentscheid. Da der regelmäßige Fischkonsum einen gewissen Luxus bedeutete, war der Andrang groß und die Liste der Pächter dieser Fischbecken liest sich wie das „Who is who“ der damaligen Stadtgesellschaft: Kaufleute, Ärzte, Beamte und bedeutende Patriziergeschlechter wie die Herwart, Imhof, Manlich oder Honold, Ulrich und Marx Fugger (Nr. 171 u. 172) oder Matthias, Bartholomäus und Ulrich Welser (Nr. 144, 145, 173) deckten dort ihren Bedarf an Frischfisch.

Um der steigenden Nachfrage nachzukommen, ließ die Stadt im Jahr 1553 noch weitere Fischkästen an der Singold vor dem Wertachbruckertor anlegen, die allerdings vor allem von den dort ansässigen Fischern gepachtet und genutzt wurden (Stetten, I, S. 499).
 

Fischreiches Augsburg

Schon die Römer profitierten von den reichen Fischbeständen in Lech und Wertach. Seit dem Mittelalter gewann der Verzehr von Fisch – insbesondere als typische Speise während der strengen christlichen Fastenzeiten und als Delikatesse auf den Tafeln der Oberschicht – bei Adel und Klerus an Bedeutung.

Auch in der Stadt Augsburg werden erstmals im Jahr 1260 Fischbänke („scamnis piscium“) auf dem Platz zwischen St. Peter und dem Rathaus (Fischmarkt) greifbar, und das Stadtrecht von 1276 führt städtische Fischer auf. Im Hochmittelalter sicherte sich allerdings der Augsburger Bischof sämtliche Fischereirechte in den Gewässern des Augsburger Stadtgebiets und kontrollierte damit einen bedeutenden Teil der Lebens-mittelversorgung in der Reichsstadt. Für die Weitergabe und Beaufsichtigung dieser Nutzbarkeiten wurde ein sog. „Ferge“ durch den Bischof belehnt.

Von den Machtbefugnissen des Bischofs konnten sich die Mitglieder der städtischen Fischerzunft erst lösen, als sie dieses Fergenamt im Jahr 1526 als Erbzinslehen erwarben. Seither übte die Zunft, der auch die Sägmüller und Flößer angehörten, alle zivilrechtlichen und gewerbepolizeilichen Aufgaben, die mit der Fischerei verbunden waren, selbst aus, auch wenn die Fischgewässer vorerst weiter im Obereigentum des Bischofs blieben. Diese Regelung hatte noch bis 1862 Gültigkeit. Danach wurde die Fischerinnung aufgelöst und das Erblehen ins Privateigentum der letzten noch verbliebenen Stadtfischer übergeführt.

Durch Fischereiordnungen regelten Rat und Zunft bereits früh den Fang und Verkauf von Fischen und Krebsen in der Stadt. So entstanden bereits im ausgehenden Mittelalter grundlegende und wegweisende Instrumente nachhaltigen Wirtschaftens. Zeitliche Beschränkungen und genaue Vorgaben für die erlaubten Fangmethoden sowie eine strenge gerichtliche Ahndung von Ordnungsverstößen sollten eine Überfischung der Gewässer vermeiden. Auch die Verkaufszeiten und -orte wurden genau bestimmt. Außerhalb des Stadtgebiets sorgten Verträge mit benachbarten Herrschaften für eine Abgrenzung der Fanggebiete in Lech, Wertach und Stadt-bächen, z. B. mit dem Kloster St. Ulrich, das am Lochbach Fischereirechte beanspruchte.

Waren es im Jahr 1472 noch 46 Augsburger Stadtfischer, die es durch kaufmännisches Geschickt teilweise zu einem bescheidenen Reichtum brachten, so ging deren Zahl im Verlauf der frühen Neuzeit kontinuierlich zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden hier nur noch vier Berufsfischer verzeichnet. In der Gegenwart lebt die Augsburger Fischerei als Freizeitsport wieder auf und hat ihren Platz im Augsburger Vereinsleben.