5.3 Achterbahn statt Kufen

Der fortschreitende Wohnungsbau rückte in den 1920er Jahren dem sogenannten „Kleinen Exerzierplatz“ an der Langenmantelstraße zu Leibe. Auf „ihren“ Plärrer, der sich seit 1878 ebenfalls auf diesem Gelände befand, wollten die Augsburger jedoch keinesfalls verzichten. So musste stattdessen eine ehemalige Eislauffläche weichen.

Der einstige „Exerzierplatz“, in reichsstädtischer Zeit bis 1806 Übungs- und Paradeplatz der alten Stadtgarde und Bürgerwehr, wurde von der bayerischen Armee im 19. Jahrhundert nicht mehr benötigt und der Stadt als Festwiese überlassen. Seit ca. 1850 wurde es üblich, im Winter dort durch das Einlassen von Wasser aus dem Senkelbach eine „ordnungsmäßige Schleifbahn“ zum Vergnügen des städtischen Publikums zu betreiben.

Das Schlittschuhlaufen oder „Schleifen“ war, wie alte Chroniken und Zeichnungen belegen, auch in Augsburg seit dem 16. Jahrhundert äußerst beliebt. Besonders die strengen und kalten Winter der in der Klimageschichte so bezeichneten „kleinen Eiszeit“ (1570–1630) boten hierzu reichlich Gelegenheit. Als ältester Platz für ein derartiges, „eisiges Vergnügen“ ist der zwischen Judenwall und Wertachbruckertor gelegene Stadtgraben belegt, an dem sich heute das Curt-Frenzel-Stadion befindet. Er wurde deshalb auch „Schleifgraben“ genannt.

Der beliebte „Schleifgraben“ reichte aber bald nicht mehr aus, und so schuf man eine Reihe von - heute nicht mehr bekannten - Eislaufflächen, die seit dem 19. Jahrhundert das Bedürfnis der „schlittschuhlauflustigen Jugend“ nach winterlicher Betätigung erfüllten.

Der ca. 5,3 ha umfassende kleine Exerzierplatz war eine davon. Die Eislauffläche bestand, wie in dieser Zeit üblich, aus einer einfachen Wiese mit einem gewalzten, kiesigen Untergrund, die später noch etwas eingefasst und vertieft worden war. Da die einlaufenden Wassermassen bei nicht allzu niedrigen Temperaturen leicht versickerten und die Kellerräume der angrenzenden Häuser in Mitleidenschaft zogen, wurde der Betrieb zwischen 1875 und 1892 vorübergehend eingestellt und nach Alternativen gesucht, mangels besserer Lösungen jedoch wieder aufgenommen. Für ein paar Pfennige konnten hier die Augsburger bis zum Ersten Weltkrieg ihrer Belustigung nachgehen. 1903 erhielt auch der Eisschützenverein „Augusta“ dort eine kleinere Fläche für seine sportlichen Ambitionen.

Als in den Jahren 1924 bis 1926 an der nördlichen Ecke der Langenmantelstraße die ersten „Mittelstandswohnungsbauten“ entstanden, hatte der Winterspaß allerdings ein Ende. Bierbuden, Achterbahnen und Menagerien des „Plärrers“, die zuvor auf der neuen Wohnbaufläche untergebracht waren, gerieten mit den bestehenden Eislaufplätzen in Konkurrenz. Sie brachten natürlich einen größeren Umsatz als der Betrieb der Eisbahnen und besetzten bald deren alten Platz. Wer weiß heute noch, dass unser „Plärrer“ einen eisigen Vorgänger hat?

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