5.2 Als das Fahrrad schwimmen lernte

Wasserfahrräder – heute als Tretboote bekannt - waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts offenbar auch in der Fuggerstadt im Trend. Mit Wilhelm Artinger und Otto Jaser bewarben sich gleich zwei Augsburger Konstrukteure 1913 bei der Stadtverwaltung um die Erlaubnis, ein solches Fahrzeug auf dem Stadtgraben beim Jakoberwall vorführen zu dürfen.

Die Idee, den äußeren Stadtgraben mit Ausflugsbooten zu befahren, taucht in Augsburg schon im 19. Jahrhundert auf. Zunächst waren es nur kleine Ruderboote, mit denen sich die Erholungssuchenden auf den Gewässern bewegten. 1883 stellte der Kölner Ludwig Büschl einen Antrag an die Stadtverwaltung, kleine Dampfschiffe - 50 Personen fassend! - „zum Vergnügen und zur Bequemlichkeit der dortigen Einwohner“ vom Jakobertor bis zum Vogeltor fahren zu lassen. Aus dem Wunsch wurde nichts, denn der Kreisfischereiverein war wegen dort noch bestehender Fischrechte dagegen.

So wurde es der Oblatterwall, an dem im Geschäftsjahr 1900/01 der „Kaffeebrenner“ Paul Heinrich Kurz den ersten offiziellen Augsburger „Kahnverleih“ in Leben rief – und damit seinen Konkurrenten Josef Schweiger, den Schankwirt zum „Geisterhaus“ in der Oblatterwallstraße, aus dem Rennen warf.

Nur wenige Jahre später machten sich dann neben Kurz auch verschiedene andere Tüftler in Augsburg ans Werk, die die kleinen Ausflugsboote mit Fahrradbestandteilen ergänzten. Der Antrieb über Pedale und eine Fahrradkette, die ein Schaufelrad am Bootsheck in Bewegung setzten, erhöhte die Fahrgeschwindigkeit und Vergnügen ohne allzu großen Kraftaufwand.

1913 waren es gleich zwei Erfinder, die ihre „Wasserfahrradboote“ als Freizeitbelustigung bei der Stadtverwaltung zur Anmeldung brachten.

Wenig erfolgreich war dabei der „Erfinder und Konstrukteur“ Wilhelm Artinger (1863–1916), von Beruf Schreiner und mit einem unsteten Lebenswandel und beachtlichen Vorstrafenregister auffällig geworden. Sein Wasserfahrrad, das angeblich bis zu drei Personen befördern konnte, kam nach Aktenlage erst gar nicht zum Einsatz.

Um seinen Traum von einer Fahrradfahrt auf dem Lech zu erfüllen, scheute der begeisterte Lechhausener Otto Jaser (1878–1958), Kontorist der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei in Augsburg, keine Kosten und Mühen. Für 800 Mark erwarb er am Ammersee ein Ruderboot, das er um Teile eines Fahrrads ergänzte. Sein mit „Musterschutz“ No. 471685 patentiertes Tretboot, in dem 10–12 Personen Platz fanden, hatte bereits 1912 bei einem aufsehenerregenden Spektakel am Oblatterwall die „Jungfernfahrt“ absolviert. (a) Jasers Belustigungsfahrten sorgten ab Mai 1914 auf einem Umgehungskanal im Siebentischwald am Hochablass für Begeisterung. Diese war jedoch zunächst nur von kurzer Dauer: der Erste Weltkrieg rief auch den Erfinder zum Kriegsdienst, und das Holz-Velo war nach seiner Rückkehr zwischenzeitlich zerkleinert und verheizt worden.

So bleiben heute nur mehr alte Akten und Fotos als lustige „Kuriosa“ über die Augsburger Kahnfahrt, die Fahrradgeschichte und den Augsburger Erfindergeist.

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