Kleine Geschichte des Tretboots

Der Mechanismus von Tretbooten – mit Muskelkraft betriebene Boote, bei denen die Kraft über eine Antriebskette auf ein Schaufelrad weitergeleitet wird - ist bereits seit der Antike bekannt. Allerdings war diesen „Schaufelradschiffen“, die u. a. als Kriegsmaschinen im 4. Jahrhundert n. Chr. belegt sind, kein größerer Erfolg beschieden. Konstruktionszeichnungen von Leonardo da Vinci belegen auch im 15. Jahrhundert verschiedene Modelle, wobei der Antrieb über ein Laufrad oder eine Handkurbel gedacht war. Doch konnten sich diese Erfindungen ebenso wenig durchsetzen wie amerikanische Fährboote im 19. Jahrhundert, deren Schaufelräder über Tretmühlen durch Pferde oder Maultiere betrieben wurden.

Das vermutlich erste Tretboot als individuell nutzbares „Freizeitgerät“ wurde 1810 von Joseph von Baader erfunden. Der „Wasserschlitten“ auf Kufen fand in der adeligen und großbürgerlichen Welt allerdings noch keine größere Verbreitung. Die meisten der nachfolgenden Tretboot-Modelle basieren schließlich auf dem Fahrrad, das 1817 unter dem Namen „Vélocipède“ in Frankreich als Laufrad patentiert und von Pierre Michaux als Zweirad mit Tretkurbel modifiziert wurde.

Die „industrielle Revolution“ mit ihren in der Folge geregelten Arbeits- und Ruhezeiten brachte gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch Neuerungen in der Freizeitgestaltung, und das Wasserfahrrad trat seinen Siegeszug an, als sich auch das Fahrrad generell als Transportmittel durchsetzte und ständige Verbesserungen erfuhr. Hier betätigten sich an der Wende zum 20. Jahrhunderts viele „Erfinder“, von denen häufig nicht einmal die Namen bekannt sind. Sie alle versuchten, aus dem Fahrrad ein wassertaugliches Fortbewegungsmittel zu schaffen, das mit Vergnügungsdampfern Schritt halten konnte. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs blieben Ruderboote jedoch die klassischen Freizeitboote. Vor alle durch die Kunststoffindustrie und ihre Massenprodukte fanden danach Tretboote in der westlichen Welt weite Verbreitung. Sie existieren seit den 1950er-Jahren nahezu unveränderlich in dieser Form, wenngleich heute weitere, phantasievolle Modelle, z. B. in Form von motorbetriebenen E-Bikes, Flüsse und Seen erobern.

Initiator zur Einrichtung eines Augsburger Betriebes für die Benutzung von Leihbooten auf dem Wassergraben am Oblatterwall war der in Metzingen/Württemberg gebürtige Paul Heinrich Kurz (* 1852, † 1933). Nach seiner Hochzeit mit einer Augsburgerin im Jahr 1876 betrieb Kurz zunächst eine Kaffeerösterei („Kaffeebrennerei“) in der Jakobervorstadt. Seine Geschäftsidee als „Kahnverleiher“ verwirklichte er nachweislich erst im Geschäftsjahr 1900/01. (b)

Der Wassergraben entlang des Oblatterwalls und der alten Stadtmauer, bei den Augsburgern allzeit als Erholungsoase beliebt, erhielt durch die dort anliegenden kleinen Ruderboote, die nachweislich schon im 19. Jahrhundert verkehrten, bald die Bezeichnung „Kahnfahrt“. Seit 1950 ist dort auch ein Gastronomiebetrieb mit Sitzplätzen im Freien nachzuweisen. In den Grünanlagen am Wassergraben, unweit von seinem Elternhaus, verbrachte auch der jugendliche Bertolt Brecht in den 1910er Jahren häufig seine Freizeit.

Durch die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs wurden auch die Wallanlagen und das System des „Stadtgrabens“ stark beschädigt, der für einige Jahre trockengelegt werden musste und in dieser Zeit als Viehweide genutzt wurde. Nach der Behebung der Bauschäden und der neuerlichen Flutung des Grabens nahm die Kahnfahrt ihren Betrieb wieder auf. Seit ca. 1980 werden neben den klassischen Ruderbooten auch Kähne mit Elektroantrieb verliehen.