Die Geschichte der „Halle 116“

Das Gebäude wurde Mitte der 1930er-Jahre als Teil der Luftnachrichtenkaserne erbaut und diente vor allem als Fahrzeughalle. Anfang Mai 1944 funktionierten es die Nationalsozialisten zum KZ-Außenlager (zugehörig zum KZ Dachau) mitsamt Kommandantur, Krankenrevier und Quartier für Wachmannschaften um. Dazu wurde die Halle mit Stacheldraht vom restlichen Kasernengelände abgetrennt und im Inneren in Blöcke aufgeteilt. Geleitet wurde das Lager von einem SS-Kommandanten und SS-Männern. Das Wachpersonal bestand aus zur Waffen-SS überstellten Wehrmachts- und Luftwaffensoldaten.

Unmenschliche Lebens- und Arbeitsbedingungen

Im Lager waren gleichzeitig bis zu 2.000 männliche KZ-Häftlinge untergebracht, die vor allem in den Werkshallen der Messerschmitt AG an der Haunstetter Straße Zwangsarbeit leisten mussten. Manche wurden auch in der Stadt und bei der Reichsbahn, etwa zu Aufräumarbeiten oder bei der Bombenentschärfung eingesetzt. Kleinere Lager, deren Insassen ebenfalls für Messerschmitt arbeiten mussten, etwa Bäumenheim, Horgau und Leonberg, waren dem Lager Augsburg-Pfersee untergeordnet.

Gefangene aus über 20 Nationen

Die Gefangenen stammten vor allem aus der Sowjetunion und Polen, einige auch aus Italien, Frankreich oder Deutschland. Ab November kamen auch einige polnische und ungarische Juden ins Lager. Insgesamt waren Menschen aus über 20 Nationen in der „Halle 116“ gefangen.

Mangelernährung, Misshandlungen und Exekutionen

Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge waren ausgesprochen hart. Den Weg zu den Messerschmitt-Werken legten die Arbeiter teils zu Fuß, teils mit der Lokalbahn zurück. Dort arbeiteten sie in zehn- oder zwölfstündigen Schichten. Die hygienischen Verhältnisse und die Versorgung im Lager waren völlig unzureichend. Mangelernährung und Krankheit waren alltägliche Erscheinungen. Im Frühjahr 1945 fielen viele der Gefangenen einer Flecktyphusepidemie zum Opfer. Zeitzeugen berichteten außerdem von harten Disziplinierungsmaßnahmen, zahlreichen Misshandlungen durch Wachpersonal und Messerschmitt-Beschäftigte sowie von Exekutionen. Die Zahl der Todesopfer ist nicht genau bekannt, da kranke und nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge anfangs noch in das Stammlager Dachau zurückgebracht wurden.

Auflösung des Lagers zum Kriegsende

Ab 21. April 1945 begann die SS mit der Auflösung des Lagers, weil amerikanische Truppen auf Augsburg vorrückten. Gehunfähige Insassen wurden in das KZ Dachau abtransportiert, die übrigen zu Fuß Richtung Süden getrieben. Nach einem mehrtägigen Marsch, auf dem eine unbekannte Zahl von Häftlingen starb, wurden die Überlebenden am 27. April 1945 bei Klimmach (Nähe Schwabmünchen) von US-Truppen befreit.

Teil der Sheridan-Kaserne

Nach Kriegsende bezogen die US-Streitkräfte die Luftnachrichtenkaserne und fassten sie mit der angrenzenden Infanterie- und der Heeresnachrichtenkaserne zur Sheridan-Kaserne zusammen. Das Gebäude erhielt durch die Besatzungsmacht seine namensgebende Nummerierung 116. Bis zum Abzug der Amerikaner im Jahr 1998 wurde die Halle – nun „Building 116“ – unter anderem als Garage, Werkstatt und Bibliothek genutzt.

Abriss der Kaserne, Halle 116 bleibt erhalten

Nach dem Abzug der US Army vermietete eine Treuhandfirma der Stadt Augsburg die „Halle 116“ als Garage und Lagerhalle. Fast alle der umliegenden Kasernengebäude wurden abgerissen. Nur durch den Einsatz vieler engagierter Augsburger Bürgerinnen und Bürger, die an die Geschichte des Gebäudes erinnern wollen, bleibt der „Halle 116“ ein ähnliches Schicksal erspart. Zum Jahresbeginn 2020 kaufte die Stadt die Halle aus dem Treuhandvermögen an und sicherte so deren Erhalt.

Literatur:

  • Die Halle 116 – Lernort Frieden in Augsburg. Abschlussbericht an die Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung und Immobilienbetreuung GmbH (AGS) zur Erarbeitung einer wissenschaftlichen Konzeption für das Gebäude 116 im Sheridan-Park, Augsburg 2016.
  • Kucera, Wolfgang: Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge in der Augsburger Rüstungsindustrie, Augsburg 1996.
  • Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Bauten erinnern. Augsburg in der NS-Zeit (Schriften des Architekturmuseums Schwaben, Bd. 10), Berlin 2012.
  • Römer, Gernot: Für die Vergessenen. KZ-Außenlager in Schwaben – Schwaben in Konzentrationslagern, Augsburg 1984.