Ida Paulin – Glaskunst made in Augsburg
Die neue Ausstellung der Kunstsammlungen zeigt im Schaezlerpalais die erste umfassende Werkschau der Augsburger Künstlerin

Ida Paulin: Spinnenvase. Bildnachweis: Kunstsammlungen & Museen Augsburg
- Laufzeit: 22. September 2023 bis 31. März 2024
- Erste umfassende Werkschau zu Ida Paulin (1880-1955)
- Rund 450 Objekte ausgestellt
- Stilistisch vom Bauhaus hin zu gegenständlichem Konservatismus
- Glaskunstwerkstatt im Augsburger Domviertel
- Vielseitige Künstlerin mit Fokus auf Glaskunst
- Das Lebensgefühl der Zwanziger Jahre auf Glas gebannt
- Avantgardistische „Nadelmalerei“ und Batik-Tücher
- Spinnennetze, Souvenirs und Sonnenblumen
- Publikation von Monographie als neuem Standardwerk im Herbst
- Vita von Ida Paulin
- Bildergalerie unter kmaugsburg.de/idapaulin
In einer neuen Ausstellung widmen sich die Kunstsammlungen & Museen Augsburg der Glaskünstlerin Ida Paulin (1880-1955). Drei Jahre lang arbeiteten Kurator Dr. Christof Trepesch und Co-Kuratorin Sarah Klein an der ersten umfassenden Werkschau der in Augsburg geborenen Künstlerin. Aus über 1.000 Objekten aus verschiedenen Privatsammlungen und dem Bestand der Kunstsammlungen wählten sie rund 450 Stücke, die nun vom 22. September 2023 bis 31. März 2024 im Schaezlerpalais (Maximilianstrasse 46) zu sehen sind. Neben Glaskunst, die im Mittelpunkt der Schau steht, werden unter anderem auch Skizzen, Gemälde, Batiken und Stickereien gezeigt. Zur Ausstellung gibt es jeweils samstags um 14 Uhr Turnus-Führungen, um 15.30 Uhr schließt sich jeweils eine Themenführung an. „Wie bereits „Die modernen Frauen des Atelier Elvira“ vergangenes Jahr im Grafischen Kabinett präsentiert diese Ausstellung Künstlerinnen, die bislang nicht im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung standen. Ihnen wird damit der ihnen gebührende Platz in der Kunstgeschichte eingeräumt“, so Jürgen K. Enninger, Referent für Kultur, Welterbe und Sport bei der Eröffnung der Ausstellung.
Von Bauhaus hin zu gegenständlichem Konservatismus
Ida Paulin ist vor allem durch ihre farbenfroh dekorierten Gebrauchsgläser bekannt. Sie zählt zu den bedeutenden Vertreterinnen des Kunsthandwerks zu Beginn des frühen 20. Jahrhunderts, die sich um gut gestaltetes Glas bemühten. Stilistisch spannt sie den Bogen vom Jugendstil, über das Art Déco, hin zum Bauhaus und dem Konstruktivismus. Während des Dritten Reiches pflegte sie einen gegenständlichen Konservatismus, der bis in die Nachkriegszeit fortwirkte.
Vielseitige Künstlerin mit Fokus auf Glaskunst
Ida Paulin entwarf Postkarten, schuf Batiken und Stickereien, arbeitete in Holzbrenntechnik, malte in Hinterglas, dekorierte und entwarf Gebrauchsgläser, Vasen und Lampen, bemalte aber auch Porzellan und Schmuck. Seit den 1910er und 20er Jahren konzentrierte sie sich vorwiegend auf die Glaskunst. Sie nutzte vorproduzierte Gläser, entwarf aber auch eigene Formen und versah diese mit innovativen Dekoren und Mustern. Ihre Glasobjekte verkaufte sie mit großem Erfolg auf Messen, Ausstellungen und sogar auf Kreuzfahrtschiffen in alle Welt. Bereits im Jahr 1915 wurde Ida Paulin als erste Frau in der Künstlervereinigung „Die Ecke“ in Augsburg aufgenommen.
Glaskunstwerkstatt im Augsburger Domviertel
Die heute weitgehend in Vergessenheit geratene Künstlerin studierte zu Beginn des Jahrhunderts Malerei an der Münchner Damenakademie bei Adolf Münzer und Angelo Jank, der für die Zeitschrift „Jugend“ tätig war. Zu ihren Lehrerinnen zählten aber auch die Landschaftsmalerin und Lithografin Ellen Tornquist sowie die Malerin Caroline Kempter. Paulin arbeite aber auch in Dachau, wo sie ihren Mann kennenlernte, den Maler Arnold Haag, den sie 1924 heiratete. Zusammen mit ihm eröffnete sie im Künstlerhof im Augsburger Domviertel eine Glaskunstwerkstatt. Haag beteiligte sich neben eigenen Großprojekten an Entwürfen für die Glasmalerei seiner Frau.
Das Lebensgefühl der Zwanziger Jahre auf Glas gebannt
Mit den Dekoren ihrer Gläser entsprach Ida Paulin in den 1920er Jahren voll dem damaligen Zeitgeist: Marlene Dietrich, Josephine Baker, Tänzerinnen und Tänzer, Jazzmusiker, Paare in Abendgarderobe beim Tanz oder an der Bar bilden beliebte Motive. Auch Frauen im Sportdress oder Schwimmanzug, beim Wandern, Skifahren oder beim Flanieren mit Freundinnen sind wiederkehrende Sujets.
Avantgardistische „Nadelmalerei“ und Batik-Tücher
Die Neuausrichtung der Stickerei der Avantgarde im Sinne einer „Nadelmalerei“ inspirierte die Künstlerin. Es entstanden bestickte Decken aus schwarzem Stoff, die mit Dekoren aus rundum verlaufenden breiten Bordüren in leuchtenden, farbigen Garnen versehen sind. Paulin war zudem fasziniert von der aus Indonesien kommenden Batiktechnik. Beispiele für beide Techniken sind in der Ausstellung ebenfalls präsentiert.
Spinnennetze, Souvenirs und Sonnenblumen
Ida Paulins Schaffen wurde auch durch fernöstliche Druckgrafik gestalterisch und motivisch beeinflusst. So zeigen ihre Naturdarstellungen mitunter ausschnitthaft wiedergegebene, stilisierte Vögel, Fische, Insekten und Pflanzen wie etwa Zweige mit Kirschblüten. Dazu gehört auch das Motiv der in einem radialen Netz sitzenden Spinne, das sich durch das Glasoeuvre von Ida Paulin zieht und auf Vasen, Dosen, Tellern und vor allem Trinkgläsern in der Ausstellung zu finden ist. Blumen und Trachtenmotive dominieren vor allem in der Zeit nach 1933. Konservative Zeugnisse eines retrospektiven Blickes, der sich kollisionsfrei zum nationalsozialistischen Weltbild verhielt. Auch Kinderdarstellungen, Tiere und Märchenhaftes nehmen breiten Raum ein. Hinzu kommen Andenkengläser, unter anderem mit Augsburger Motiven, und Gläser, die als Werbegeschenke dienten.
Publikation von Monographie als neuem Standardwerk
Im Herbst 2023 erscheint im Rahmen der Ausstellung auch eine Monographie mit verschiedenen Beiträgen von Fachleuten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Mit einer Auflistung ihrer Ausstellungen sowie einem Markenverzeichnis kann das neue Standardwerk im Regensburger Schnell und Steiner-Verlag auch als Handbuch für Sammler ihrer Kunst dienen“, so Herausgeber Dr. Christof Trepesch.
Themenführungen zur Ausstellung:
Am Anfang stand die Malerei
Samstag, 7. Oktober, 15:30 Uhr
Die Porzellandekore: Dreiecke, Stechpalme und Spirale
Samstag, 21. Oktober, 15:30 Uhr
Die ‚Goldenen Zwanziger Jahre‘
Samstag, 4. November, 15:30 Uhr
Glas, Porzellan, Holz, Stoff, Farbe die Vielfalt der Ausdrucksweise
Samstag, 18. November, 15:30 Uhr
Kinderwelten und Märchenhaftes
Samstag, 2. Dezember, 15:30 Uhr
Vom Jugendstil zum Konstruktivismus – ein Leben, viele Kunstepochen
Samstag, 16. Dezember, 15:30 Uhr
Der Alte Fritz, Uniformen und Trachten
Samstag, 30. Dezember, 15:30 Uhr
Weitere Informationen unter: kmaugsburg.de/idapaulin
VITA IDA PAULIN
6. April 1880
Ida Paulin wird als Tochter des Baumwollhändlers Josef Paulin und seiner Ehefrau Ida, geb. Hurler, als drittes von sieben Kindern in Augsburg geboren, dort geht sie auf das Institut der Englischen Fräulein und die städtische Höhere Kunstschule
1898
Pensionat in der französischen Schweiz, in Évian-les-Bains am Genfer See
1902 und 1906
Besuch der Damen-Akademie des Münchner Künstlerinnenvereins, zu ihren Lehrern zählen Adolf Münzer (1870-1953), Angelo Jank (1868-1940) sowie die Hamburger Malerin Anna Hillermann (1880-?), aber auch Heinrich Heidner (1876-1974), Ludwig Dill (1848-1940) und Heinrich Rettig (1859-1921)
Ab 1904
Beteiligung an Ausstellungen des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart, dem Kunstverein München und Augsburg sowie dem Pfälzischen Kunstverein in Speyer
1907
Sie beteiligt sich mit 23 Arbeiten an der III. Stralsunder Kunstausstellung
1912
Ida Paulin ist in der Ausstellung „Die Frau in Haus und Beruf“ im Zoologischen Garten in Berlin mit ihrer Glaskunst vertreten, ebenso in der Bayerischen Gewerbeschau in München, wo sie gemeinsam mit den damals schon bekannten Glaskünstlern Jean Beck (1862-1938), Isidor Gistl (1868-1950) und Josef Emil Schneckendorf (1865-1949) ausstellt
1914
Beteiligung mit Glasarbeiten auf der Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln
1915
Als erste Frau wird sie in die Augsburger Künstlervereinigung „Die Ecke“ aufgenommen. In diesen Jahren entstehen u.a. propagandistische Postkarten.
1916
Ida Paulin wird auf der Leipziger Messe als „Überraschung“ gefeiert, wo sie unter anderem mit Gläsern, Stickereien, Keramiken und Batiken vertreten ist
Seit 1920
Beteiligung an der Grassimesse in Leipzig, die dem Ziel der Etablierung von Kunstgewerbe auf höchstem Niveau diente
1924
Heirat mit dem Maler Arnold Haag
1925
Sie erhält ein Atelier im Künstlerhof und beschäftigt in den Folgejahren bis zu sechs Angestellte und Lehrlinge
1927 und 1941
Ida Paulin stellt regelmäßig im vom Bayerischen Kunstgewerbeverein eingerichteten Ausstellungsraum des Grassimuseums, dem so genannten „Bayern-Saal“ aus
1929
Sie entwirft das Dekor „Regenbogen“ für den Schweizer Schokoladenhersteller Sprüngli in Zürich
1933
Ida Paulin erwirbt in unmittelbarer Nähe zum Handwerkerhof im Mittleren Pfaffengässchen 27 (Lit. C 64) ein romantisches Fachwerkhaus mit Garten
1935/36
Teilnahme an der Wanderausstellung „Deutsche Kunst und kunsthandwerkliche Spitzenleistungen“, die das Grassimuseum von Dezember 1935 bis Juli 1936 in Belgrad, Sofia, Athen, Ankara und Istanbul veranstaltet.
Ausstellung ihrer Produkte auf dem Kreuzfahrtschiff des Hapag-Dampfers „Reliance“
1937
Ida Paulin ist im deutschen Pavillon der Weltausstellung in Paris unter der Rubrik „Glaswaren“ mit einer „Tischpräsentation“ vertreten, und erhält die Silbermedaille für einen Deckelpokal
1944
Der Handwerkerhof und ihr privates Wohnhaus werden in der Augsburger Bombennacht vom 25./26. Februar vollkommen zerstört, dabei gingen auch große Teile ihres künstlerischen Besitzstandes unter
1945
Ida Paulin zieht nach Bad Münster am Stein, Stein-Ebernburg, wo die Familien der beiden im Krieg gefallenen Brüder Idas leben
1947
Ein erster Glasbrandofen wird wieder in Betrieb genommen, erste Beteiligung auf der Leipziger Messe.
1949
Tod von Arnold Haag
Seit 1950
Teilnahme an verschiedenen Messen, darunter die Frankfurter Messe und die Grassimesse in Leipzig
14. August 1955
Ida Paulin stirbt infolge einer Herzschwäche und wird in Bad Münster am Stein beigesetzt