„Haben Sie schon einen Fortschritt gemacht?“ Augsburger Fachtag für Kita-Fachkräfte und Familien mit Ben Furman am 02. und 03.11.2022 zum Umgang mit lösungsfokussiertem Ansatz


Eine kleine Nachlese vom 03.11. mit Interview.

An beiden Fachtagen hatten pädagogische Fachkräfte aus den Augsburger Kitas sowie interessierte Familien die Möglichkeit, sich im Workshop-Format über lösungsorientierte Techniken, die damit verbundene pädagogische Haltung in der Interaktion mit Kindern und Familien sowie der ressourcenorientierte Umgang im Team mit dem namhaften finnischen Psychiater Ben Furman in Augsburg auszutauschen. Der renommierte Experte für lösungsfokussierte Therapie, Coaching und Organisationsentwicklung ist zudem ausgebildeter Psychotherapeut und Mitgründer des Helsinki Kurztherapiezentrums.


„Ich schaffs“ - eine lösungsorientierte und systemische Problemlösungsmethode

Unter dem obengenannten Titel beginnt die Präsentation und der fachlich fundierte sowie interaktiv-kurzweilige Ganztagesworkshop mit Ben Furman. Drei verschiedene Übungen aus dem lösungsfokussiertem Ansatz, die die Fähigkeiten der Einzelnen im Fokus haben, ziehen sich wie ein roter Faden durch den abwechslungsreichen und anschaulichen Seminartag.

Mit dem „Ich schaffs“-Konzept erweitert Ben Furman nicht nur den therapeutischen Behandlungsansatz, sondern schafft einen Perspektivwechsel zur Lösungssuche und damit letztlich zur personalen Stärkung, zur Resilienzförderung und zu mehr Handlungsalternativen in der pädagogischen Praxis genauso wie in der persönlichen Weiterentwicklung.

„Man kann direkt in die Zukunft gehen, ohne lange Analyse: lösungsfokussiert!“ betont er so in seinen Ausführungen. Mit der einfachen, aber sehr wirkungsvollen Frage „Haben Sie schon einen Fortschritt gemacht?“ leitet Ben Furman die Wahrnehmung auf Ressourcen, Problemlösekompetenzen hin zu einem konstruktiven lösungsorientiertem Vorgehen in kleinen Schritten. Die Pädagoginnen und Pädagogen lernen ein mehrstufiges Prozessmodell kennen, das Kinder in ihrer Entwicklung stärkt und sie zur Selbstwirksamkeit und kreativen Lösungsfindung motiviert.

Von der Mücke und dem Gehen kleiner Schritte

„Man findet was Kleines, was man groß macht. Leute sind dann glücklich. Aus der Mücke einen Elefanten machen.“ In diesem Kontext gewinnt das bekannte Sprichwort eine neue Bedeutung. Es geht darum, in kleinen Schritten kleine Erfolge sichtbar zu machen, groß werden zu lassen, indem ihnen eine wichtige Bedeutung zugemessen wird.

Ben Furmann macht deutlich: „Alle Menschen können diese Fragen stellen: Was hast du schon für kleine Schritte getan? Was machst du als nächstes? Welche Fortschritte hast du geschafft?“ Dabei erwähnt er auch die modernen Wegbereiter Insoo Kim Berg, Steve de Shazer sind die Wegbereiter für den lösungsfokussierten Ansatz.

Stärkung der Resilienz und der Lösungsorientierung

Weiterhin zeigt er ein gewohntes Alltagsbeispiel in Familien auf: „Ein Beispiel für Resilienzfähigkeit ist, wenn das Kind aus dem Zimmer geht, wo die Eltern sich streiten.

Ruhig bleiben in herausfordernden Situationen, zum Beispiel, ich spiele etwas und verliere.

Das zeigt sich auch bei der Achtsamkeit und auch der Gefühlsregulation.“

Von der Jammer- zur Wunschhand: Mit diesen Methoden üben sich die Teilnehmenden in Kleingruppen einmal im Problembeschreiben und schaffen dann den Transfer zur zukunftsgewandten Lösungsorientierung. Eine Methode, die man sowohl für Fallbesprechungen als auch für Haltungsthemen im Team verwenden kann.

Was ist dein Geheimnis? - Ein Dankeschön an einen gelungenen Fachtag

Die pädagogische Fachberatung Sevim Leventoglu, die die beiden Fachtage organisierte, dankte Ben Furman und frage ihn abschließend: „Was ist dein Geheimnis für den tollen Impulsvertrag?“ Und sorgt damit für erheiternde Momente im Publikum, denn das war ein Auszug aus einer Gruppenübung.

„Ich danke Ihnen im Namen der vielen Augsburger Kinder, die davon profitieren werden. Sie nehmen viele Impulse in ihre Einrichtung mit. Danke, dass sie da waren, und ich hoffe, dass Sie Alltagssituationen haben, wo Sie öfters die Wunsch- anstatt die Jammerhand verwenden“.

Als Ausblick erwähnt Sevim Leventoglu noch, dass nächstes Jahr ein Online-Elternabend mit Ben Furman geplant ist.


Fazit

Der veränderte Blick, den Ben Furman im Laufe der Fortbildung immer wieder kreativ, humorvoll und alltagsnah in den Fokus lenkt, schärft das Bewusstsein für neue Denkmuster und Handlungsalternativen: weg vom reinen Problemfokus hin zum lösungsorientiertem Handeln. Das stärkt sowohl die kindliche Entwicklung, als auch systemisch betrachtet, den Bildungsort Kita als Gesamteinheit.

Eine gelungene Fortbildung, die die fachlichen und persönlichen Kompetenzen der Einzelnen für die alltäglichen Herausforderungen mit Kindern neu gestärkt und neue Bildungsimpulse initiiert hat.

Die beiden Fachtage wurden durch das EU-Programm Erasmus+ finanziell unterstützt. Zusammenfassung von Marianne Frey.
 

Marianne Frey im Interview mit Ben Furman


„Das Kernelement ist das Fähigkeitsdenken“
 

1. Die lösungsfokussierten Techniken und Perspektiven stehen im Mittelpunkt Ihrer therapeutischen Arbeit mit Kindern, Familien, mit Kitas und Schulen. Was sind die Kernelemente dabei?

Meine Kernelemente nenne ich Fähigkeitsdenken oder Kompetenzorientierung. Man sieht nicht Schwierigkeiten und Probleme, man sieht das Gegenteil und das sind Fähigkeiten. Man sieht dieselbe Person mit Bedürfnissen, die es lernen muss.

Das kann heißen, jemand lernt sich zu kontrollieren. Beispielsweise ein Mann ist aggressiv durch Alkoholkonsum und geht nicht nach Hause. Das ist eine Fähigkeit, dann hat er sich unter Kontrolle. Diese Haltung hat nicht nur mit Erwachsenen und Kindern, sondern mit allen Leuten zu tun. Ein Kind hat Angst vor Hunden, das kann Mut heißen, als Gegenteil von Angst. Welche Mut-Entwicklung zeigt es, wenn es Angst zu überwinden versucht. Da sind Kinder motivierter, bei diesem Mut-Entwicklungsprojekt. Wenn du kompetenzorientiert bist, sagst du, du hast Mut, vor der Klasse zu sprechen und nicht, du hast Angst vor der Klasse zu sprechen. Du entwickelst Mut. Das ist diese veränderte Sichtweise hin zum Denken in Lösungen.


2. Sie bringen in dem Kontext auch die Resilienzfähigkeit ins Spiel. Das betrifft alle in einer Kita gleichermaßen, die Kinder, die Familien wie das pädagogische Team. Was meinen Sie genau damit, welche Symbiose gehen Lösungsfokussierung und Resilienz ein?

Ich habe das Arbeitsbuch: „Meine Zwei-Zuhause“ geschrieben. Hier habe ich ein Heft entwickelt, die einem Kind in der Dilemma-Situation einer Scheidung helfen kann. Ausgehend davon, dass ich in den Supervisionen viele Fachleute getroffen haben, die mit Kindern aus Scheidungsfamilien arbeiteten. Diese sogenannten Hochkonflikte sind eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft, kosten viel Geld und frustrieren. Man hat sich mit den Vorschlägen und Gesprächsangeboten im Kreis gedreht.

Unsere Idee war dann ein Heft, wo das Kind zeichnen und schreiben kann und es beschreibt beide Zuhause: Links ist die Beschreibung des Zuhauses beim Vater, rechts der Mutter. Welche Regeln gibt es links und rechts, wer wohnt im Mutterhaus, wer im Vaterhaus.

Die Kinder bekommen ein physisches Bild mit vielen Doppelbeschreibungen - das ist ein Teil von Resilienz. Es gibt Probleme, aber es gibt auch positive Dinge: Ich habe zwei Zuhause und vielleicht kriege ich zweimal Geld. Es gibt Vorteile, das zu denken, hilft, stärker zu werden, um mit diesen unangenehmen Situationen umzugehen.


3. Sie bieten ein praxisnahes Beispiel mit der einfachen, auch naheliegenden Frage an das Kind: „Willst du Hilfe?“ Wenn man diese Frage stellt, bekommt man von den Kindern positive Reaktionen. Wie machen Sie dann weiter in der Interaktion mit dem Kind?

Dann beginnt man mit der Ideensammlung. Man kann das Kind fragen: Wie willst du, dass man dir hilft. Oder man frägt weiter die Freunde, wie könnt ihr helfen? Wenn sie nicht wissen, hilft man selber weiter. Der erste Schritt ist schon, dass die Bereitschaft schon da ist. Das ist schon eine Hilfe, das ist ein angenehmes Gefühl. Deine Freunde sind deine Ressource. In welcher Situation brauchst du Hilfe? Zum Beispiel hat das Kind Angst beim Spielen mit anderen Kindern. Wie können dir da deine Freunde helfen? Das heißt Ermutigung, Lob, Erinnerung, Anerkennung. Und Kinder haben wunderbare Ideen, wir brauchen nicht viele Ideen einbringen, aber ein paar Beispiele, um zu verstehen.


4. Wenn das Kind eine neue Fähigkeit gelernt hat, ist eines Ihrer Methoden, das zu feiern. Sie erwähnen dabei den nötigen Respekt und die Bestärkung, die dabei wichtig sind. Warum ist das so wichtig? Geht es hierbei um die positive emotionale Verankerung und Ermutigung?

Über diese Feier-Idee geht es nicht um Belohnung, es geht mehr um Umgangsformen, um Rituale: Du hast etwas wichtiges gelernt und erfährst durch das Feiern mehr Bekräftigung und Verankerung. Wir zeigen Respekt für dich, du hast viel gearbeitet, warst freiwilllig aktiv und arbeitswillig, hast unsere Hoffnung akzeptierst, du bist jetzt ein größeres Kind. Jetzt kannst du anderen Kindern helfen, wenn sie das auch so ein Problem haben.

Ja, das kann man so sicherlich sagen, dass es um positive emotionale Verankerung und Ermutigung geht.

Wir haben einen Wunsch, dass Kinder ein Stolzgefühl entwickeln. Und das hat viel mit Respekt vor dem Anderen zu tun. Selbstrespekt mit Blick in den Spiegel ist nicht dasselbe, sondern man bringt selber die Überzeugung im wertschätzenden Umgang mit den Anderen mit.


Vielen Dank für das inspirierende Interview!