Das Handwerk in Augsburg beim Übergang der Stadt an das Königreich Bayern

Band 25

Roland Bettger

Jahrhundertelang hatten die Zünfte in der Reichsstadt Augsburg das gewerbliche Leben entscheidend geprägt. Bereits im Stadtrechtsbuch von 1276 lassen sich erste Ansätze zu gildenartigem Zusammenschluß, besonders im Bäckergewerbe, erkennen. 1368 erkämpften die Augsburger Zünfte in einer unblutigen Erhebung ihre Anerkennung als politische Korporationen und die Beteiligung am Stadtregiment. Im Rahmen der konfessionellen Auseinandersetzung hob Karl V. die Zunftverfassung im Jahre 1548 auf und setzte erneut eine patrizische Obrigkeit über die Stadt. Damit war die politische Rolle der Zünfte beendet. Als gewerbliche Organisationen wurden sie unter Aufsicht des patrizischen Rates in ihren Funktionen belassen. Bereits seit dem 16. Jahrhundert waren die Zünfte zunehmend als engstirnige, fortschrittsfeindliche Korporationen angegriffen worden, die überkommene Wirtschaftsweisen konservierten und gesamtwirtschaftliches Wachstum aus purem Interessenegoismus verhinderten. Zu Ende des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts war die »Zunftfeindlichkeit« soweit gediehen, daß man vereinzelt ihre völlige Beseitigung in Erwägung zog.

Als Augsburg mit dem Jahre 1806 seine Reichsunmittelbarkeit verlor und in das Königreich Bayern eingegliedert wurde, schien auch das Ende der Zünfte gekommen. Denn Montgelas, der allmächtige Minister des Staatszentralismus in Bayern, trug sich mit dem Gedanken, die Zünfte zu beseitigen. Sie paßten weder in sein wirtschaftspolitisches Konzept, noch entsprachen sie seinen Vorstellungen von rationalem Staatsaufbau. Sondergewalten hatten darin keinen Platz.

Montgelas' ursprüngliche Absichten wurden nicht einmal annäherungsweise verwirklicht. An der Gewerbeverfassung, so wie sie in der Reichsstadt bestanden hatte, wurden mehr kosmetische Reparaturen vorgenommen als wirkliche Reformen. Die zünftische Organisation und Wirtschaftsweise mochte dem überalterten reichsstädtischen Gemeinwesen angemessen gewesen sein. Daß sie im »modernen« bayerischen Königreich weitgehend unverändert blieb, muß verwundern.

Die vorliegende Arbeit zur Handwerksgeschichte Augsburgs beim Übergang der Stadt an das Königreich Bayern sucht die Bedingungen handwerklichen Wirtschaftens unter unterschiedlichen politischen Voraussetzungen darzustellen. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum sich die Wirtschafts- und Gewerbepolitik der Reichsstadt und des Königreichs Bayern so sehr ähneln. Dazu muß auch die Rolle der Zünfte neu überdacht werden. Handelten sie wirklich aus reinem Interessenegoismus, oder befanden sich die Handwerker in einer Situation, die aus ihrer Sicht kaum Alternativen erkennen ließ? Konnte sich vielleicht deshalb die bayerische Regierung nicht zu radikalen Reformen entschließen? Alles Fragen, auf die das Buch von Roland Benger trotz schwieriger Quellenlage Antwort zu geben versucht.

erschienen 1979

Preis: 9,80 €