Frost und Grundeis

In langen, kalten Winternächten geben Wasserflächen besonders viel Energie in Form von Wärme ab und kühlen aus. Dabei bewirken anhaltende Frostperioden bei stehenden und fließenden Gewässern unterschiedliche Formen des Vereisens. Wegen der sogenannten „Dichte-Anomalie“ frieren Seen und Teiche stets von oben nach unten zu. Bei etwa +4 Grad Celsius ist das Wasser am schwersten und sinkt auf den Grund. Wasser, das kälter ist, bleibt an der Oberfläche und erstarrt zu Eis. Bei Fließgewässern, die die Strömung laufend verwirbelt, bildet sich auch in tieferen Regionen Eis. Dieses Grundeis steigt wegen seines geringeren Gewichts wiederum an die Flussoberfläche, wo es zunächst in Form von Eisschollen treibt, allmählich aber in Schoppungen die engeren Stellen eines Fluß- oder Bachlaufs verstopft und letztlich sogar eine geschlossene Eisdecke bilden kann.

Auch die Reichsstadt Augsburg mit seinen zahlreichen Flüssen und Kanälen, Wehren und Schleusen war regelmäßig der Gefahr von Grundeis ausgesetzt. Das Gefrieren der Sohle in den Fließgewässern konnte den Querschnitt des Flußbetts verringern und zu großflächigen Überschwemmungen führen. Die Kontrolle und das Freiräumen der Wasserläufe, das sogenannte „Eisnen“, erforderte zur Winterszeit die höchste Aufmerksamkeit des Lechmeisters und seines Dienstpersonals. So schildert der Lechmeister Paul Federlin (um 1680–1762) für seine Amtszeit besonders kritische Lagen in den Jahren 1729, 1736, 1740 und 1742–1745. Seinen reichen Erfahrungsschatz im Umgang mit der Eisgefahr hinterließ er 1746 auch als schriftliche Handlungsanweisungen für die Amtsnachfolger.

Das Eis verursachte nicht nur Hochwasser, sondern beschädigte auch oft die Brücken. Zwischen den Jahren 1798/99 war das Eis in der Wertach „tischhoch“, und durch das plötzlich eintretende Tauwetter am 28. Januar rissen die Eisschollen das Hauptjoch des Pferseer Stegs mit sich fort. Im Januar 1800 war das Gebiet vom Schwibbogentor bis zum Hochablass von Überschwemmung betroffen. Durch eine Unachtsamkeit des Bachmanns, der die Eisläden und Fallen bei der Pulvermühle zog, gelangte zu viel Wasser und Eis in den Herrenbach. Hier hatte das komplexe Zusammenspiel der Wehranlagen und Schleusen versagt.

Frost und Eis beeinträchtigten nicht nur die Wasserläufe. Auch Glatteis auf den öffentlichen Straßen („Reichsstraßen“) stellten eine Gefahr für Mensch und Tier dar. Ursache dafür waren in früheren Zeiten v. a. die privaten Wasseranschlüsse. Denn das Wasser ließ sich nicht abstellen, sondern floss langsam und kontinuierlich aus den Rohren in die Laufbrunnen („Röhrkästen“) und der Überschuss wurde einfach auf die Straße weitergeleitet. Die Anweisung, bei winterlichen Kälteperioden dieses Brunnenwasser in die Schwindgruben der Anwesen zu leiten und versickern zu lassen, hatte hier nur bedingt Erfolg.

Da sämtliche Augsburger Getreidemühlen von der Wasserkraft abhängig waren, führten lange Frostperioden in früherer Zeit auch zu erheblichen Nahrungsengpässen. Um die Versorgung aufrecht zu erhalten, setzte man auf die Muskelkraft der Pferde und Menschen. Roßmühlen sind bereits seit dem Spätmittelalter in Augsburg bezeugt. Im eisigen Winter 1534 brauchte es schon 18 solcher Mühlen, um die rasant wachsende Stadtbevölkerung mit Brot zu versorgen. Das Betreiben von Mühlwerken mit menschlicher Muskelkraft ist in reichsstädtischer Zeit auch als Strafmaßnahme für Gesetzesbrecher und Unruhestifter dokumentiert.