4.4 Der Sturz des Titanen

Große Katastrophen erfordern ein Heer an Freiwilligen und Helfern zu ihrer Bewältigung. Als das „Jahrhunderthochwasser“ 1910 den Augsbuger Hochablass in die Knie zwang, war Augsburg der Lage nicht gewachsen. Die bayerische Armee unterstützte die Stadt mit der Zuteilung von Soldaten.

Im westlichen Alpengebiet brachte der Juni des Jahres 1910 extreme Niederschläge. Verbunden mit der Schneeschmelze in den Tiroler Alpen entwickelte sich der Lech innerhalb nur weniger Stunden zu einem reißenden, unberechenbaren Strom. Die Lechwelle, der auf ihrem Weg bereits zahlreiche Klausen und Brücken zum Opfer gefallen waren, rollte am 14. Juni unbarmherzig auf den Augsburger Hochablass zu. Um 15.30 Uhr wurde der dortige Schleusenmeister informiert, dass mit einem Hochwasser zu rechnen sei. Der Wasserpegel stieg innerhalb von 30 Stunden um fünf Meter und erreichte seinen Höchststand am 16. Juni um 3.00 Uhr morgens. Zur Katastrophe kam es jedoch erst am Abend. Der Hochablass, die erste der drei großen Wehranlagen im Stadtgebiet, hielt dem enormen Wasserdruck von ca. 1.100 m³/Sek. nicht statt. Binnen kürzester Zeit wurde das schrägliegende alte Holzwehr von den Wasserwirbeln unterspült. Um 18.15 Uhr brach die Wehrkrone bei den Kiesdurchlässen rund 50 Meter neben der Floßgassenwand und die Strömung riß einen Teil des Hochablasses mit sich. Gefährdet waren nun auch die Einlassschleußen für die beiden vom Lech abgeleiteten Bäche („Stadtbach“ und „Neubach“), das Augsburger Wasserwerk und die nahe gelegene Ausflugsgaststätte. (a) Als Schutzmaßnahme mussten daher am 17. Juni die noch stehen gebliebenen Wehrteile auf der Westseite gesprengt werden.

Eine der größten Flutkatastrophen in der Geschichte der Stadt Augsburg war die Folge. Besonders hart traf es die Jakobervorstadt, das Hochzoller Ufer und die damals noch selbstständige Stadt Lechhausen, wo der Wasserstand eine Höhe von bis zu 80 cm erreichte und Notevakuierungen durchgeführt werden mussten. (b) Die Schäden des Unglücks wurden insgesamt auf 2 Millionen Mark beziffert.

Für die Stadt Augsburg war es unmöglich, der Katastrophe alleine Herr zu werden. Daher half das bayerische Militär. Ab dem 16. Juni 1910 wurden das 3. Infanterie-Regiment mit seinen verschiedenen Kompagnien sowie ein Pionier-Bataillon zum Hilfseinsatz abgestellt. Insgesamt waren bis zu 300 Soldaten gleichzeitig vor Ort. Die Hochphase ihres Einsatzes lag zwar zwischen dem 16. und dem 23. Juni, doch wurden Soldaten, wenn auch in abnehmender Zahl, bis Mitte September herangezogen. Ihre Hauptaufgaben waren die Sicherung des Geländes am Schleusenhaus und beim Floßhafen, die Beseitigung der Wehrreste des Hochablasses sowie die Ufersicherung bis zur Hochzoller Brücke. Kiesgefüllte Kisten, Sandsäcke und andere Natur- materialien wie Rutenbündel aus Tannenreisig (Faschinen, Borzen) sollten die Böschungsbrüche stabilisieren und auch das Brunnenwerk am Hochablass – das Zentrum der städtischen Trink- wasserversorgung – vor Zerstörung bewahren.

Neben dem Militär stellten auch mehrere Augsburger Firmen – MAN, Thormann & Stiefel oder Holzmann & Comp. – Personal, Gerätschaften und Fachwissen für den Katastropheneinsatz zur Verfügung. Die Erfahrungen des Jahres 1910 machten deutlich, dass es in Augsburg im Katastrophenfall an geschultem Personal und Gerätschaften fehlte. Aus Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr und städtischen Wasserbauarbeitern wurde in Augsburg daher 1911 eine Wasserwehr mit einer Stärke von 90 Mann gebildet, die auch regelmäßige Übungen abhielt.

Für den Wiederaufbau des 1912 eröffneten neuen Hochablasses wurde nach den Plänen von Münchener Architekten und Stadtbaurat Otto Holzer eine querliegende Stahlbetonkonstruktion mit festen sowie beweglichen Walzen- und Schütztafelwehren und einer Kiesschleuse gewählt.

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