3.1 Tumult ums "stille Örtchen"

Die ungefilterte und ungereinigte Einleitung von Abwasser aus Toiletten und Ställen in die Fließgewässer der Stadt stellte selbst zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer noch ein hygienisches Problem dar. Durch die Hochwasserkatastrophe im Juni 1910 trat es buchstäblich zu Tage: 385 „Plumpsklos“ mit Direktentsorgung der menschlichen Fäkalien in die Kanäle waren beschädigt oder vom Wasser abgeschnitten. In der Hitze des Sommers stanken diese Missstände buchstäblich zum Himmel!

Nach der großen Cholera-Epidemie 1854 bildete sich zunehmend ein Bewusstsein für die bedeutende Rolle von sauberem Trinkwasser und geregelter Entsorgung von Exkrementen in der breiten Bevölkerung und der Stadtverwaltung aus. Ab 1868 führte die Stadt Augsburg das sogenannte Tonnensystem, den Abtransport über Fäkalientonnen („fosses mobiles“), ein.  (b) Eine Pflicht zum Umbau der zum Teil seit Jahrhunderten bestehenden Abtritte mit direkter Entsorgung in die Flüsse, Kanäle und Gräben der Stadt bestand jedoch nicht. So kam es, dass die hygienischen Zustände der „stillen Örtchen“ am Beginn des 20. Jahrhunderts sehr unterschiedlich waren. Während erste Augsburger bereits Spülklosetts in ihren Wohnungen installierten, trugen andere ihr „Geschäft“ noch auf kürzestem Weg in den Lech.

Auch über die Abortanlage an der Rückseite der Schwallmühle wurden noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Fäkalien ungefiltert in den Lech entsorgt. Und das war keine Seltenheit:  1910 leiteten noch 67 Aborte direkt in den Vorderen Lech, 20 in den Mittleren Lech, 11 in den Hinteren Lech, 40 in den Sparren- und Schwalllech, 43 in den Stadtbach und 5 in den Findelhauskanal ein. Die Aborte wurden über schräg verlaufende, zum Teil offene Abwasserrinnen (sogenannte „Rutschen“) betrieben, die direkt an die Fließgewässer angeschlossen waren. Bei normalem Wasserstand bereitete diese Toilettenanlage keine Probleme doch bei Niedrigwasser sammelten sich die Ausscheidungen an den „Rutschen“ und wurden nicht mehr weggespült.

Erstaunlicherweise verursachte das Hochwasser im Juni 1910 an den Stadtkanälen keine Überschwemmung, sondern einen niederen Wasserstand, da die Wassermengen des Lechs nicht mehr gezielt kanalisiert werden konnten. Aus Angst vor dem Ausbruch von Krankheiten ordnete der Magistrat die Reinigung der Kanäle und die Umrüstung der anliegenden Abortanlagen auf das Fäkaltonnensystem durch die jeweiligen Besitzer an.
Besonders hart trafen diese Forderungen Joseph Messmer, als Eigentümer der auf den Anwesen Lit. A 347 und 348 gelegenen Schwallmühle und des benachbarten Wohnhauses (Lit. A 349). Nicht nur sein Mühlenbetrieb, sondern auch seine Toilettenanlage war durch die Hochwasserkatastrophe außer Betrieb gesetzt. Wegen der Verdienstausfälle konnte er auch die baupolizeilich auferlegten Umbauten seiner Abortanlagen nicht finanzieren. Am 19. Juli 1910 wandte er sich deshalb mit der Bitte um Erlass der Auflagen an den Stadtmagistrat. (a) Doch der Magistrat blieb hart! Ob das im Stadtarchiv überlieferte Foto der Abortanlage am Schwallech wohl als Beweismittel für die hartnäckige Verweigerung des Umbaus entstanden ist...?

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