„Wir können es nur gemeinsam machen“

22.01.2021 13:47 | Umwelt & Soziales

Mit ihrem Bürgerbeirat Corona nimmt die Stadt Augsburg eine bundesweite Vorreiterrolle bei der Bürgerbeteiligung ein. Jetzt tagte das Gremium zum dritten Mal. Diskutiert wurde über den Bereich Schule ebenso, wie über Unterstützungsmöglichkeiten für den Einzelhandel und das Thema Impfen. Als Gast im Beirat mit dabei war Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der Rede und Antwort stand.

Beim gestrigen Bürgerbeirat ging es unter anderem um die Themen Homeschooling und Impfen. Foto: Ruth Plössel/Stadt Augsburg

Das Format kommt an. Über 300 Zuschauerinnen und Zuschauer folgten auf www.augsburg.de der Sitzung des Bürgerbeirats Corona, den Oberbürgermeisterin Eva Weber moderierte. Klaus Holetschek, neuer Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege und als ehemaliger Bürgermeister von Bad Wörishofen bestens mit Bürgeranliegen vertraut, erläuterte das Impfkonzept des Freistaats. Dieser wolle mit seinen 100 Impfzentren nahe an den Bürgerinnen und Bürgern sein.

Hier können Sie die komplette 3. Sitzung des Bürgerbeirats Corona auf unserem YouTube-Kanal sehen

Hoffnung auf umgehende Impfstofflieferungen

Auf die Kritik, wonach Bayern, gemessen an der Zahl der Impfzentren, viel zu wenig Impfstoff habe, sagte Holetschek, dass derzeit „wenig Planbarkeit und Verlässlichkeit bei der Verteilung des Impfstoffs über den Bund gegeben sei. „Wir haben eine Impf-Priorisierung. Da müssen wir schon wissen, in welchen Kalenderwochen wieviel Impfstoff bei uns ankommt. In Bayern könnten 38.000 Menschen pro Tag geimpft werden.“ Der Minister setzt auf baldige Impfstofflieferungen weiterer Pharma-Firmen – darunter Vakzine, die weniger transportsensibel sind und bei denen auch Hausärzte in die Impftätigkeit eingebunden werden können.

Bis zu vier Personen pro Registrierungs-E-Mail

Auf Anfrage erläuterte Holetschek das Vorgehen für die Registrierung der Impfwilligen, die sowohl online als auch per E-Mail funktionier. Als nächstes seien jetzt die Personen über 80 Jahre dran, die bereits von ihren Heimatgemeinden angeschrieben wurden, um sich registrieren zu lassen. Er kündigte an, dass die Registrierungssoftware nachgebessert wird, so dass sich bis zu vier Personen gleichzeitig zur Impfung anmelden können. Erst nach der Registrierung erfolgt dann im nächsten Schritt auch eine Terminvergabe. Auch über Sonderaktionen mit Bussen werde nachgedacht, um möglichst schnell eine Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen.

Wie Oberbürgermeisterin Eva Weber noch einmal erläuterte, habe das Augsburger Impfzentrum eine Impfkapazität für täglich 3000 Personen. Für die Registrierung per Telefon bat sie um Geduld. „Es rufen Tausende pro Tag an.“

FFP2-Masken schützen die Träger selbst

Angesichts kritischer Stellungnahmen verschiedener Fachgesellschaften zur FFP2-Maskepflicht, wollte Beiratsmitglied Hans Dombrowski wissen, wie die Stadt dies beurteile. Dies sei eine Frage des Maßstabs, der an medizinisches Fachpersonal und an Laien angelegt werde, so der kommissarische Gesundheitsamtsleiter Dr. Thomas Wibmer. „Wenn ein Arzt die FFP2-Maske nicht korrekt trägt, ist das ein Fehler. Die Maskenpflicht ist aber nicht gleich gänzlich unwirksam, nur weil eine Person unter 100 die Maske vielleicht nicht richtig aufgesetzt hat.“ Wirksam sei die FFP2-Maske auch deshalb, weil sie den Träger selbst schütze und verhindere, dass die Maske etwa unter der Nase hänge.

Auswirkungen auf psychische Gesundheit beachten

Beim Thema Gesundheit wurde auch gefordert, die Auswirkungen von Corona auf die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schüler stärker in den Blick zu nehmen. „Dieses Thema geht unter und wir haben Angst, ob wir überhaupt das Abitur bekommen“, sagte der Schüler und Beiratsmitglied Jonas Wiedemann. Wichtig sei, seelsorgliche und schulpsychologische Angebote in Absprache mit dem Gesundheits- und Kultusministerium stärker anzubieten. Ein Vorschlag, den auch Gesundheitsminister Holetschek interessiert aufnahm.

Um die Pandemie letztendlich in den Griff zu bekommen, appellierte der Staatsminister an die Bürgerinnen und Bürger: „Wir können es nur gemeinsam machen. Unser Ziel ist, den Inzidenzwert so zu drücken, damit wir alle wieder ein Stück Gemeinsamkeit zurückgewinnen.“

Forderung nach Standards für Wechsel- und Distanzunterricht

Einheitliche Standards für Wechsel- und Distanzunterricht wurden u.a. beim Thema Schule und Bildung vorgeschlagen. Sowohl das Lehrpersonal sowie Schülerinnen und Schüler müssten hier bessere Vorgaben erhalten. Zudem bestand Erklärungsbedarf, warum ab 1. Februar nur Abiturklassen und Abschlussklassen von Berufsschulen wieder im Wechselunterricht beschult würden, Abschlussklassen anderer Schularten aber nicht. Bildungsbürgermeisterin Martina Wild bedauerte, dass dazu noch keine näheren Ausführungen vom Kulturministerium vorlägen. Wie sie berichtete, habe die Schulverwaltung die Zeit genutzt, um die CO2 –Ampeln und mobile Lüftungsgeräte für die Schulzimmer anzuschaffen. Auch wegen räumlicher Alternativen sei das Bildungsreferat mit Kirchengemeinden aber auch dem Hotel- und Gaststättenverband im Austausch. Eine sehr positive Nachricht, so Bürgermeisterin Wild sei, dass die Stadtbücherei und die Stadtteilbüchereien wieder Online-Bestellungen zur Abholung bereitstellen. Ab Februar sei voraussichtlich auch der Bücherbus wieder unterwegs.  

Wichtige Werbeplattform für den Einzelhandel

Engagiert diskutierte der Bürgerbeirat Corona auch Möglichkeiten, die dem Einzelhandel Erleichterung während des Lockdowns verschaffen könnten. Im Mittelpunkt der Diskussion: Click & Collect. Die Plattform werde gerade von kleineren Läden gut angenommen. Augsburg Marketing sei hier der Ansprechpartner für Einzelhandelsgeschäfte, die an diesem Projekt teilnehmen wollen. Auch für einen professionellen Internetauftritt stehe Augsburg Marketing den Händlern beratend zur Seite, so Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle. Damit erkennbar werde, welche Geschäfte bei Click & Collect mitmachen, schlug ein Beiratsmitglied Bodenaufkleber zur Kennzeichnung vor. Online sind die Geschäfte auf www.augsburg-city.de gelistet.

Konzepte für Kunst und Kultur für die „Zeit danach“

Einig war sich der Bürgerbeirat Corona, dass für Kunst und Kultur jetzt Konzepte erarbeitet werden müssen, um für künftige Maßnahmenlockerungen vorbereitet zu sein. „Der Wunsch wäre, dass für Veranstaltungen größere Räume zur Verfügung stehen“, hieß es. Oberbürgermeisterin Eva Weber bestätigte, dass sich die Stadt mit Konzepten für die Innenstadt und die Stadtteile befasse. „Da geht es auch um die Unterstützung des Einzelhandels und wie Kunst und Kultur wieder stattfinden können.“ Dieser Weg, der bei sinkenden Inzidenzwerten zurück in die Normalität führe, funktioniere stufenförmig, so die OB.

Kulturreferent Jürgen Enninger betonte, dass die Kulturverwaltung mit vielen solo-selbständigen Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt sei, um ihnen den Zugang zu Hilfsprogrammen für finanzielle Unterstützung zu erleichtern. Auch eine Beratungsstunde dazu werde durchgeführt. „Diese Förder- und Hilfsprogramme für die Existenzsicherung der Solo-Selbständigen ist dringend nötig, denn nur so bleibt die die kulturelle Vielfalt erhalten“, so Enninger.

„Anstrengend – aber sachlich streiten ist gut“

Nachdem der Bürgerbeirat Corona seit November in dieser Besetzung dreimal getagt hat, werden für die nächste Sitzung im März zehn neue Mitglieder aus dem Bewerbungsportfolio ausgelost. Dies bot der ersten Staffel Gelegenheit für ein Fazit. Dabei gab es Kritik, wonach der Bürgerbeirat lediglich eine Alibi-Funktion habe, weil die Stadtregierung angesichts vieler Verordnungen des Bundes und des Landes ohnehin nicht viel tun könne.

Oberbürgermeisterin Eva Weber nannte Beispiele, die dieser Einschätzung widersprachen. Unterstützt wurde sie dabei von Beiratsmitgliedern, die vor allem das „offene Ohr“ der Stadtregierung gegenüber den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger lobten. Der Beirat sei „zwar anstrengend, aber ein guter Austausch, der sich lohnt. Denn sachlich streiten ist gut“, sagte Beiratsmitglied Stephan Hüwe. erz