Bürgerbeirat: Das Gemeinschaftsgefühl wieder aufleben lassen

15.04.2021 06:40 | Umwelt & Soziales Bürgerservice & Rathaus

In seiner fünften Sitzung am Mittwoch, 14. April, beschäftigte sich der Bürgerbeirat Corona der Stadt Augsburg mit den Themen „Schulen und Kitas“, „Einzelhandel und Gastronomie“ und „ÖPNV“.

Am gestrigen Mittwochabend kam der Bürgerbeirat Corona zu seiner fünften Sitzung zusammen.

Oberbürgermeisterin Eva Weber, die auch die fünfte Sitzung leitete, begann mit der Auflistung der Anregungen, die der Beirat in seiner letzten Sitzung im März eingebracht hatte. Einige hat die Stadt bereits umgesetzt, wie zum Beispiel die prominentere Kommunikation des RKI-Inzidenzwerts als Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie. Eine weitere Anregung betraf die Stadtwerke Augsburg: In den Verkehrsmitteln der swa werden Informationen rund um die Coronapandemie über die Fahrgastinformationssysteme eingeblendet, zusammen mit Verlinkungen zu weiterführenden Informationen. Mit „Silberdraht“ arbeitet die Stadt an der Einführung einer zusätzlichen Kommunikationsplattform, mit der Bürgerinnen und Bürgern digitale Informationen in analoger Form angeboten werden. Auch das war eine Anregung des Bürgerbeirats aus der letzten Sitzung im März. 

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Die zehn neuen Köpfe des Bürgerbeirats tagten zusammen mit der Oberbürgermeisterin, sieben Expertinnen und Experten aus der Verwaltung, fünf Vertreterinnen und Vertretern aus dem Stadtrat und Dr. Walter Casazza, Geschäftsführer der Stadtwerke Augsburg gestern Abend. Interessierte konnten die Beiratssitzung live mitverfolgen und über die Chatfunktion Anregungen und Vorschläge einbringen. 

Themen der Sitzung: Schutzmaßnahmen in Schulen und Kitas, Perspektiven für Einzelhandel und Gastronomie, sowie die Situation im ÖPNV

„Der Kontakt zwischen den Beirätinnen und Beiräten ist eng und wir waren zwischen den Sitzungen in Kontakt, um Anregungen noch intensiver zu besprechen“, leitete Oberbürgermeisterin Weber ein. So hätten Gespräche mit dem Bildungsreferat stattgefunden, in denen intensiv der Einsatz von Lüftungsgeräten in Schulen diskutiert worden sei. „Die Studienlage hierzu ist leider nicht eindeutig“, so Bildungsreferentin und 2. Bürgermeisterin Martina Wild. „Wir haben den Fördertopf des Freistaats umgehend ausgenutzt und Lüftungsgeräte für Schulen beschafft, in denen das Lüften nicht möglich ist.“ Allerdings ergäben epidemiologische Studien häufig, dass das Lüften mit Frischluft besser dazu beträge, den Aerosolgehalt in der Raumluft zu mindern, als Lüftungsgeräte, da sie im schlimmsten Fall die Raumluft noch zusätzlich verteilen anstatt für ausreichend Frischluft zu sorgen. Ein Beirat merkte an, dass sich die Datenlage kontinuierlich ändere und dass zwischenzeitlich Luftfiltergeräte durchaus positiv bewertet würden. Die Bildungsreferentin bestätigte, dass sie in Zusammenarbeit mit den Fachstellen und Ministerien laufend Studienergebnisse validiere und Entscheidungen der Stadt anpasse. Stand jetzt habe man von der Beschaffung von zusätzlichen Belüftungsgeräten Abstand genommen, da Ergebnisse von Forschungen davon abraten, diese zu verwenden. „Aber wir bleiben selbstverständlich am Ball.“ Dr. Thomas Wibmer, stellvertretender Leiter im Gesundheitsamt und Lungenfacharzt bestätigte, dass das Lüften und die konsequente Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln optimal dazu beitragen, eine Infektion zu vermeiden. Die Ansteckungsgefahr in Schulen sei gering. Martina Wild: „Unsere Kinder und Enkel in den Schulen sind ein sensibles Thema, dessen sind wir uns sehr bewusst. Umso mehr freut es uns und gibt uns Erleichterung, dass die Teststrategie an Schulen gut funktioniert, denn das Testen ist ein wichtiger Baustein für die Bekämpfung der Pandemie.“

Die Maskenpflicht im Einzelhandel und mehr Freiheiten für die Gastro

Ein wichtiges Anliegen äußerte ein Beirat: Die Hygienregeln, wie das Einhalten der Maskenpflicht müsse in den offenen Geschäften des Lebenesmitteleinzelhandels stärker durchgesetzt und auch kontrolliert werden. Frank Pintsch, Ordnungsreferent der Stadt Augsburg, merkte an, dass alle Unternehmen wiederholt dazu aufgerufen würden und auch verordnet sei, dass sowohl die zulässige Personenanzahl pro Quadratmeter und die Bereitstellung von Desinfektionsmittel einzuhalten seien. Die Stadt kontrolliere dies durchgehend, stichprobenartig und schwerpunktmäßig. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsreferat werde man jedoch einen erneuten deutlichen Appell an den Einzelhandel senden. Auf die erneute Anregung, Zeitfenster für vulnerable Personen einzurichten entgegnete die Stadt, dass dies nicht durchzusetzen sei, man aber die technische Umsetzbarkeit prüfen wolle, mithilfe von Auslastungsdaten, die Internetdienste wie Google anböten, Besucherströme zu lenken. Dies sei jedoch letzten Endes in der Verantwortung jeder und jedes Einzelnen, zumal für einen Großteil der vormals einer Risikogruppe angehörenden Personen die Impfung erfolgt sei und sie somit weniger anfällig für schwere Krankheitsverläufe seien. Da ein Großteil der Infektionen auf Arbeitsumfelder zurück zu führen sei, wandte sich Oberbürgermeisterin Eva Weber mit dem dringenden Appell an alle Unternehmerinnen und Unternehmer, Homeoffice möglich zu machen wo es möglich sei. 

Für den Bereich der Gastronomiebetriebe fragte der Beirat, was die Stadt tun könnte, um einerseits Umsatz zu ermöglichen, aber auch der Bevölkerung Perspektiven für Lebensfreude zu bieten. „Das sind uns große Anliegen“, so Oberbürgermeisterin Weber. „Der Stadtrat hat bereits im März einem umfassenden Maßnahmenpaket zugestimmt, das wir für den Sommer geschnürt haben. Darin finden sich auch wieder so großzügige Regelungen für die Außengastronomie, wie wir sie bereits im Sommer genossen haben. Wichtig war es uns, auch die Gastronominnen und Gastronomen einzubinden, um zu sehen, was wir im Vergleich zu letztem Jahr noch besser, noch unkomplizierter machen können.“

Die Oberbürgermeisterin stellte gleichzeitig klar, dass Öffnungen nur dann geschehen könnten, wenn die Infektionszahlen es zuließen. „Wir haben uns in der letzten Sitzung des Bürgerbeirats mit der Hoffnung verabschiedet, dass wir heute über Öffnungskonzepte und Lockerungen diskutieren. Das ist momentan zwar mit einer Inzidenz über 200 nicht greifbar, aber wir haben den zuständigen Ministerien im Freistaat umfassende Konzepte vorgelegt, die wir im Falle, dass Öffnungen erlaubt sind, umsetzen möchten. Wissenschaftlich begleitet durch das Universitätsklinikum, denn wir möchten dann einerseits schnell handeln, aber andererseits auch konsequent Auswirkungen im Blick halten.“ Ein Beirat, der aufgrund seiner pflegerischen Tätigkeit im Uniklinikum die Pandemie aus allernächster Nähe beurteilt, schildert in diesem Zusammenhang, dass der Trend aktuell besorgniserregend sei. Zwar sei eine Covid-Station noch geschlossen, aber es sei nur eine Frage der Zeit, bis auf sie geöffnet würde. ER bemerke zudem, dass zunehmend jüngere Patientinnen und Patienten intensivpflichtig behandelt werden müssten und bestätigte damit, dass die Lage angesichts der mutierten Viren ernst sei. Zur Anregung des Beirats, bei gastronomischen Konzepten auch Streetfoodwägen einzusetzen, gab die Oberbürgermeisterin zu bedenken, dass diese mehrheitlich von auswärts kämen und damit die lokale Gastronomie außen vor bliebe, was die Stadt vermeiden wolle. 

Jugendliche sind ungeduldig

Der jüngste Beirat merkte an, dass bei immer mehr Jugendlichen der Drang nach draußen größer sei, als der Bedacht, auf die geltenden Regeln zu achten. In diesem Zusammenhang regte er an, Außensport wieder zu erlauben. Dies sei jedoch in der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung geregelt und derzeit im weiten Sinne untersagt, weswegen man dafür keine Möglichkeiten sähe, so die Oberbürgermeisterin. „Bei allem Verständnis für „Ich habe keine Geduld mehr“, ist es dennoch wichtig, dass wir weiterhin die Zähne zusammenbeißen. Wir müssen weiterhin, wenn nicht jetzt noch stärker, Infektionen verhindern, um ein exponentielles Wachstum zu verhindern“, so Weber. 

Der ÖPNV ist kein Hotspot für Infektionen 

Mehrere Beiräte und auch Teilnehmende im Chat äußerten große Bedenken angesichts eines Gedränge in Bussen und Straßenbahnen der Stadtwerke. „Die Mutationen sind ansteckender, ein kurzer Kontakt reicht schon, um sich anzustecken. Es muss eine Maximalanzahl an Fahrgästen geben, man muss kontrollieren, wie viele Menschen in einer Straßenbahn sind, die Fahrgäste zählen und jeden zweiten Platz freihalten“, so die Anregungen der Beiräte. Dr. Walter Casazza gab an, dass er diese Anregungen mehrfach und das seit Beginn der Pandemie erhalte, aber dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass Infektionen im ÖPNV geschähen. Dr. Wibmer stimmte zu: „Wir haben besonders während der Wellen sehr bedacht untersucht und auch durch Befragungen von Infizierten untersucht, ob sie sich im ÖPNV angesteckt haben könnten. Wir haben keinerlei Hinweise darauf, dass der ÖPNV ein Hotspot ist.“

Dr. Casazza pflichtete bei und erläuterte unter Hinzuziehung von wissenschaftlichen Studien, dass insbesondere die sehr gute Lüftungssystematik in Bussen und Straßenbahnen für ausreichend Frischluft sorge, die, gepaart mit kurzen Fahrzeiten und der FFP2-Maskenpflicht dazu führe, dass der ÖPNV als sicher gelte. Dennoch fühlen sich, laut einer im Chat der Liveübertragung eingespielten Umfrage, 70% der Teilnehmenden im ÖPNV unsicher. Oberbürgermeisterin Weber: „Wir haben es hier mit einem subjektiven Unsicherheitsgefühl zu tun, dem wir begegnen müssen, beispielsweise durch Maßnahmen, die den Menschen die Angst nehmen.“ Auf die Frage, wo dann die Infektionen stattfänden, antwortete Dr. Wibmer: „Im beruflichen und im privaten Umfeld. Infektionen geschehen dort, wo viele Menschen ohne Schutzmaßnahmen aufeinandertreffen. Es gibt leider wieder vermehrt Bürgerinnen und Bürger, die sich nicht an die Regeln halten und sich zuhause mit zu vielen Personen treffen. Das ist der Fehler, das ist das, was wir gerade falsch machen.“ Und Oberbürgermeisterin Weber zitierte aus dem Chat der Liveübertragung: „Ich vermisse als junger Mensch am meisten meine Gesundheit, seit ich mich in der Arbeit angesteckt habe und seit fünf Monaten krank bin.“ 

Nach etwas mehr als zwei Stunden schloss die Oberbürgermeisterin mit dem Hinweis darauf, dass alle Anregungen und Arbeitsaufträge, auch aus dem Chat, mitgenommen und den zuständigen Fachbereichen vorgelegt würden. „Ich hoffe wir können Ihnen im Mai und auf www.augsburg.de wieder Fortschritte berichten in der Umsetzung von Ideen, die Sie eingebracht haben. Ich bin Ihnen für die rege Diskussion sehr dankbar, es zeigt mir einmal mehr, dass wir in Gemeinschaft besser sind als als Einzelkämpfer. Gemeinsam kommen wir aus dieser Pandemie und zurück in ein normales Leben. Bitte bleiben Sie gesund.“

Insgesamt rund 110 Gäste hatten sich eingeloggt. Über den Chat konnten sie Anregungen und Vorschläge zur Bewältigung der Corona-Pandemie einbringen, insgesamt zählte der Chat 330 Beiträge. Am Mittwoch, 12. Mai, kommt der Bürgerbeirat Corona erneut zusammen. (cra)

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