Bert Brecht und der Musterungsjahrgang Wehrpflichtiger 1918

Das vorliegende Dokument stammt aus dem Bestand „Ersatzcommission des Aushebungsbezirks Augsburg-Stadt“, der bis Dezember 2015 gemeinsam mit zwei anderen Beständen unter der Hilfsbezeichnung „Wehrmeldeamt“ geführt, während der Umzugsmaßnahmen des Stadtarchivs jedoch nach seiner ursprünglichen Provenienz separiert und detailliert erschlossen wurde.

Der „Ersatzcommission“, auch als „Militär-Bureau“ bezeichnet, oblag von 1813 bis 1919 die Erfassung der im „Conscriptionsbezirk“ (bis 1868) bzw. „Aushebungsbezirk Augsburg-Stadt“ (ab 1868) durchgeführten Musterungen zum Einzug wehrpflichtiger Männer. Diese Ortsbehörde, die in jedem der 24 sog. Ersatzbezirke des Reichsgebiets angesiedelt war, hatte über die Verwendung, die Zurückstellung oder ggf. auch die Ausmusterung der Wehrpflichtigen für den aktiven Wehrdienst zu entscheiden.
Zu diesem Zweck wurden verschiedene Serien von Amtsbüchern angelegt. Die zunächst geführten „Conscriptionsbücher“ wurden mit der Heeresreform (1868) von den sog. Rekrutierungsstammrollen abgelöst, die alle militärpflichtigen Wehrpflichtigen mit vollendetem 20. Lebensjahr sowie die Ergebnisse ihrer Musterung erfassten. Informationen zur eigentlichen Durchführung der Musterung wurden zusätzlich in den allgemeinen Alphabetischen Listen festgehalten. Darüber hinaus existierten auch speziellere Vorstellungslisten, die die Wehrpflichtigen in die Rubriken A–E nach deren unterschiedlichen Tauglichkeitsgraden von untauglich bis wehrfähig einteilten.
Grundsätzlich war jeder Deutsche vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahr wehrpflichtig, während das „militärpflichtige“ Alter, d. h. der aktive Wehrdienst, vom 20. bis zum 39. Lebensjahr reichte.

Die hier vorgestellte Alphabetische Liste des Jahres 1918 hält unter der Namensrubrik „B“ mit Nummer 107 neben allgemeinen melderechtlichen Angaben die speziellen Ergebnisse der Musterung und militärischen Laufbahn des „Gymnasiasten“ Eugen Berthold Friedrich Brecht, des späteren Schriftstellers Bert Brecht, fest.

Obwohl Eugen (Bert) Brecht (* 10. 2. 1898), Sohn des Kaufmanns Berthold Friedrich Brecht und der Wilhelmine Friderike Sophie Brezing, wohnhaft Bleichstraße 2, im Jahr 1916 das militär- und somit meldepflichtige Alter von 20 Jahren noch nicht erreichte, hatte er sich bereits als 18-Jähriger zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst gemeldet.
Der Einjährig-Freiwilligen-Dienst war eine besondere Möglichkeit, seinen Militärdienst mit einer minimalen Dienstzeit auf möglichst einfache Weise zu erfüllen. Abgesehen von diesem und dem weiteren unbestrittenen Vorteil, bei der Form der freiwilligen Verpflichtung seinen Truppenteil selbst auswählen zu können, waren aber auch diverse Nachteile in Kauf zu nehmen. Diese lagen in einer definitiven Absolvierung des Dienstjahrs ohne weitere vergünstigende Bedingungen (z. B. die Möglichkeit einer Militärdienstbefreiung durch Auslosung). Darüber hinaus war der Ansuchende zur Beschaffung und zum Unterhalt seiner Ausrüstung selbst verpflichtet, sodass in diesen Positionen durchwegs Nachkommen vermögender Bürgerlicher zu finden waren, die die nicht unerheblichen Kosten bestreiten konnten.

Für eine Bewerbung als Einjährig-Freiwilliger hatte Brecht bei einer Prüfungskommission vorstellig zu werden und einen Berechtigungsschein zu erwerben, der ihm am 14. 10. 1916 erteilt wurde. Neben dem finanziellen Aspekt (s. o.) und der körperlichen Tauglichkeit war hierfür auch die „wissenschaftliche Befähigung“ des Bewerbers, d. h. ein Beleg der höheren Schulbildung nachzuweisen, die Eugen (Bert) Brecht als Gymnasiast des Augsburger Realgymnasiums problemlos beibringen konnte. Denn in der Regel sah man diese Laufbahngruppe als Ersatzreservoir zur Ergänzung der Unteroffiziere bzw. Offiziere der Reserve oder der Landwehr an, wozu der Kandidat bei Eignung nach 9-monatiger Ausbildung und Dienstzeit befördert werden konnte.

Die Ergebnisse der ersten Musterung Brechts, die die zuständige Ersatzkommission im Jahr 1916 vornahm, ergaben allerdings vorerst eine Rückstellung um ein Jahr (Z 1), was auch in 2. Instanz durch die Ober-Ersatzkommission der Infanterie-Brigade-Bezirke bei einer weiteren Musterung am 10. 5. 1917 bestätigt wurde.
Brecht meldete sich bereits im März 1917 zum Kriegshilfsdienst an der Heimatfront, der durch freiwillige soziale Dienste mit geringer Entlohnung in der Landwirtschaft, Verwaltung oder in kriegswirtschaftlichen Betrieben geleistet werden konnte. Er entschloss sich für die Tätigkeit in einer Gärtnerei und diverse Schreibarbeiten und erlangte dadurch auch die Genehmigung für ein vereinfachtes Notabitur. Nach einer Beschäftigung als Hauslehrer am Tegernsee im Sommer 1917 wurde er, ein Jahr nach seinem ersten Musterungsbescheid, am 1. 5. 1918 neuerlich einberufen, da er nun das 20. Lebensjahr erreicht hatte. Als unausgebildeter Landsturmpflichtiger gemäß § 103 der Deutschen Wehrordnung für „garnisons-verwendungsfähig Feld“ (g. v. F.) erklärt, wurde Brecht zum Sanitätspersonal rekrutiert. Obwohl er in München bereits formell ein Studium der Medizin und Philosophie begonnen hatte, berief man ihn mit 15. 8. 1918 als Militärkrankenwärter in ein Augsburger Reservelazarett ein, wo er den Dienst allerdings erst im Oktober unmittelbar vor Kriegsende antrat.

Somit dokumentiert sich Brechts militärische „Karriere“ in den archivalischen Quellen umfangreicher als in seinem kurzen, nur einen Monat dauernden Militäreinsatz.
 

Personalien

Stadtgemeinde Augsburg, Nr. 107

 

Familiennamen und Vornamen:

Brecht Eugen Berthold Friedrich

Datum und Ort der Geburt:

10. Februar 1898

Familiennamen und Vornamen der Eltern, Stand, Gewerbe des Vaters:

B. Berthold Friedrich, Kaufmann, l(ebend),
Wilhelmine Friederike Sophie Brezing

Wohnort der Eltern:

Bleichstr. 2

Wohnort des Militärpflichtigen:

Bleichstr. 2

Stand oder Gewerbe:

Gymnasiast (verbessert in: stud. philos.)

Bemerkungen / Heimat:

Besitzt Ber(echtigungs) Sch(ein) d(e) d(ato)
A(ugsburg) den 14. 10. 16 No. 302

Im Jahre 1916:

Größe:

1,73

Brustumfang:

74/83

Gewicht:

54 kg

Körperliche Fehler:

Z 1

Vorläufige Entscheidung der Ersatz-Kommission:

z(urüc)k(gestellt) b(is zur) n(ächsten) M(usterung)

Entscheidung der Ober-Ersatz-Kommission:

10. 5. 17: 1,72, 74/83, 56 kg, Z 1, z(urüc)k(gestellt) b(is zur) n(ächsten) M(usterung)

Im Jahre 1918:

Größe:

1,70

Brustumfang:

78/86

Gewicht:

55 kg

Sehschärfe:

r 2/30, l 6/15 nach Corr.

Körperliche Fehler

A49

Vorläufige Entscheidung der Ersatz-Kommission:

1. 5. 18 d(e) da(to) g(arnisons)
v(erwendungsfähig) F(eld)
Sanit(äts) Pers(onal)
Rekl. gem. § 103 W(ehr) O(rdnung) zit. b.
15. 8. 18
14. 5. 18