Der erste jüdische Handwerksmeister Augsburgs

Moses Marx Buchmann –
Der erste jüdische Handwerksmeister Augsburgs

Bei einer Recherche zu den Augsburger Webermeistern in der Frühindustrialisierung taucht im Meisterbuch der Name des Juden Marx (= Markus) Buchman(n) auf. Im Musterbuch der Webermeister ist er – unter dem fälschlichen Vornamen Max – 1840 gleich mit insgesamt zehn Proben seines Könnens vertreten. Gegen alle Widerstände der Weberinnung und des Magistrats hatte es der junge Mann aus Franken geschafft, sich in Augsburg niederzulassen. Bis zu seiner Auswanderung nach Amerika im Jahr 1847 lässt sich dieser außergewöhnliche Lebensweg detailliert mit Hilfe der Quellen im Stadtarchiv rekonstruieren.

Laut Wanderbuch wurde Marx Buchmann am 10. April 1805 in Adelsdorf (Landgericht Höchstadt an der Aisch) geboren. Seine Lehrzeit als Weber verbrachte er vom 8. Juli 1819 bis zum 2. Januar 1822 bei Johann Leonhard Zitzmann in der Heimatgemeinde. Die Einträge in seinem Gesellenwanderbuch belegen eine enorme Mobilität: Bis 1826 hielt er sich in Franken, der Pfalz, Württemberg und Schwaben auf, darunter knapp zwei Jahre beim Augsburger Webermeister Anton Spegele. Im Mai 1826 wurde dem 21-Jährigen die Bewilligung erteilt, auch im Ausland zu Wandern. Buchmann ging u. a. nach Wien, Preßburg und Brünn, weiter nach Olmütz und Breslau, schließlich besuchte er zahlreiche Orte in Sachsen. Längerfristige Arbeitsmöglichkeiten fand er in der Textilstadt Elberfeld sowie in Barmen. Von Oktober 1828 bis Juni 1829 kam er nochmals beim Augsburger Webermeister Anton Spegele unter.

Die Meisterprüfung legte er schließlich in Nürnberg ab, er fertigte 12 Nürnberger Ellen Tafeltuch und sechs Servietten. Im Prüfungszeugnis vom 23. Juli 1829 ist bereits Augsburg als zukünftiger Wohnort eingetragen. Mit Verweis auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Augsburger Weber – das Handwerk sei vollends übersetzt – sowie auf die Matrikelzahl der Augsburger Juden lehnte der Magistrat jedoch Buchmanns Antrag auf Ansässigmachung am 7.11.1829 ab. Buchmann wandte sich daraufhin an die Regierung des Oberdonaukreises. Das Argument, er stelle eine Konkurrenz zu den lokalen Webermeistern dar, wollte er nicht gelten lassen. Er habe in Braunschweig und in der Gegend von Elberfeld längere Zeit gearbeitet und die Weberei in feiner Baumwolle und Leinwand nach Elberfelder und Bielefelder Art erlernt und betrieben. Diese Produkte würden von den hiesigen Webern gar nicht hergestellt. Doch gerade der Leinendamast werde von angesehenen Häusern und Gasthöfen nachgefragt. Außerdem verzeichneten die Augsburger Matrikel, die die Anzahl der jüdischen Familien in Augsburg begrenzte, nur 12 wohnberechtigte Familien, obwohl die Stadt 28.000 Einwohner habe. Alle ansässigen Juden wären im Wechselhandel tätig, dagegen gebe es noch keinen gewerbetreibenden Israeliten. Am 4. April 1830 entschieden die Beamten in Neuburg zu Gunsten von Buchmanns Antrag, im Augsburger Intelligenzblatt vom 16. Juni 1830 wurde seine Gewerbekonzession endlich veröffentlicht.

Unter den Familienanzeigen im Augsburger Tagblatt vom 17. November 1830 findet sich Buchmanns Eheschließung. Die Trauung mit Fanny Mayr, Lehrerstochter aus Steppach, hatte einen Tag zuvor stattgefunden. Der Redakteur ergänzte die Meldung mit einem Kommentar: *diese letzte Trauung ist merkwürdig, da dieser der erste jüdische Handwerksmann in Augsburg seyn dürfte, so lang die Stadt stehet.

Im November 1831 klagten einige Händler und Webermeister gegen Buchmann, weil er verbotenerweise auch einen Laden führe. Das Geschäft befand sich in der Klinkertorstr. 4 (F 167). Er hielt dagegen, dass die lokale Kramerordnung durch das bayerische Gewerbegesetz seine Gültigkeit verloren habe. Um seine fünf Gesellen zu entlohnen, bräuchte er laufend ausreichend Einnahmen. Viele seiner Kunden seien jedoch Regenschirmmacher, die meist verspätet für die Stoffe bezahlten. Nur mit Hilfe des Geschäfts ließe sich die Werkstatt finanzieren. Die anderen Meister würden im Wohnzimmer ihre Waren verkaufen oder den ebenfalls verbotenen Hausierhandel praktizieren. Während das liberale Augsburger Tagblatt in einem ausführlichen Artikel auf der Titelseite vom 14. November 1831 zum Kauf in Buchmanns Geschäft aufrief, verfügte die Stadt im Einklang mit der übergeordneten Behörde in Neuburg die Schließung des Ladens. Die Werkstatt bestand fort, dies belegt eine Prüfungsarbeit seines Lehrlings Willibald Krippmann 1839 im Musterbuch.     

Nach den Recherchen des Historikers Jürgen Kuczynski arbeitete Buchmann auch für die SWA und wurde 1838 zur Weiterbildung als Schlichtmeister (maschinelle Aufbereitung des Leinenfadens mit einer Schutzschicht) nach Mühlhausen und Ettlingen geschickt.

Im Jahr 1847 verließ Marx Buchman die Stadt Augsburg, in der er als erster jüdischer Weber wirken durfte. Sein Aufenthaltsnachweis (Familienbogen) vermerkt in diesem Jahr die Auswanderung mit seiner Frau nach Nordamerika, das weitere Schicksal der Familie ist unbekannt.