Wilhelm Heinrich Chur - verschollen am Kap Hoorn?

Immer wieder stoßen wir bei unseren Personenstandsrecherchen auf merkwürdige Einzelschicksale. Eines davon wollen wir Ihnen in diesem Monat vorstellen.

05. April 1896, der Dreimaster "Neck" aus Bremen sticht von Newcastle aus in See. Die Ladung: Kohlen aus den Revieren im Norden Englands. Das Ziel: die Salpetervorkommen von Iquique an der Küste von Chile – war doch Salpeter ein unerlässliches Rohmaterial zur Herstellung von Kunstdünger und Sprengstoff.

Der aus der Fabrikantenfamilie Chur - Gründer der Mechanischen Spinnerei am Senkelbach - stammende Wilhelm fährt als einfacher Matrose auf dem Segler. Die Wurzeln seiner Familie liegen in Schwäbisch Hall. Von dort aus lieferten „Chur & Söhne“ Garne an die expandierende Augsburger Textilindustrie. 1847 erhielt das Unternehmen eine Konzession zur Errichtung einer Fabrik auch in Augsburg. Der Amerikanische Bürgerkrieg und die Unterbrechung bisheriger Handelsketten leitete eine Krise der Baumwollindustrie während der 1860er Jahre ein. 1869 wurde die Mechanische Spinnerei am Senkelbach durch die Firma Riedinger übernommen. 1877 meldete der Betrieb Konkurs an und ging an die Aktiengesellschaft Spinnerei Wertach über.

Dass Wilhelm Heinrich Chur auf dem Schiff einer Bremer Reederei auf große Fahrt ging, war vielleicht kein Zufall, hatte sich die Hansestadt doch zum hauptsächlichen Importhafen für die besonders in Augsburg als Rohmaterial so begehrte Baumwolle entwickelt. Darüber hinaus verließ die steigende Anzahl deutscher Auswanderer die Heimat zumeist über Bremen in die Neue Welt, und auf ihrer Rückreise brachten die Schiffe Tabak, Zuckerrohr und natürlich Baumwolle nach Deutschland.

Ob es nun Abenteuerlust war, als einfacher Matrose zur See zu gehen, oder der Wunsch, die Seemannschaft von Grund auf zu lernen und später das Kapitänspatent zu erwerben, wissen wir nicht. Die Nachricht vom Auslaufen der "Neck" aus Newcastle war das letzte Lebenszeichen, das Wilhelm Heinrich Churs Geburtsstadt erreichte - das Schiff blieb mit Mann und Maus verschollen. Wahrscheinlich kam es bei der Umsegelung von Kap Hoorn zu einer Katastrophe. Trotz der extremen Wetterbedingungen, die es an dem berüchtigten Kap für Schiffe und Seeleute zu überwinden galt, war die Salpeterfahrt nach Chile im 19. und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige Handelsroute, an der sich auch deutsche Reedereien beteiligten.