Bericht des letzten Flößers

„…Im Auftrag der Stadt Augsburg machten wir in den ersten Tagen des Juni 1914 mit Rundholz und Brettern auf dem Lech bei Gründl zwei Flöße zusammen und fuhren am 8. Juni 1914 mittags in Lechbruck ab. Auf meinem Floß waren außer mir noch drei Floßknechte; das zweite Floß führte mein Bruder Konrad Petz mit ebenfalls drei Knechten. Außerdem hatten wir noch einen Gast auf dem Floß, der Lech hatte Mittelwasser, also für die Floßfahrt günstigen Wasserstand und die Witterung war gut.

An diesem 8. Juni nun ging die Floßfahrt bis nach Landsberg. Die Fahrt war nicht leicht und es hätte fast am Schongauer Wehr ein Unglück gegeben, wenn nicht im letzten Augenblick das Floß mit aller Kraftanstrengung noch hätte in die Floßgasse dirigiert werden können. Nachdem zuerst die Ruder ausgehängt worden waren und die Besatzung sich an dem in der Mitte des Floßes angebrachten Seil festgehalten hatte, kam das Floß gut durch die Schußtenne. Im anderen Falle wäre es an die Mauer angestoßen, zerrissen worden und samt den Leuten in den Strudel gestürzt.

Im Kristainerbräu in Landsberg, der alten Flößerherberge, wurde übernachtet und früh um 6 Uhr, am Morgen des 9. Juni 1914 die Fahrt auf den Flößen fortgesetzt und diese kamen ohne weiteren Zwischenfall gegen 11 Uhr vormittags vor der Schleusenanlage am Hochablass an, wo Halt gemacht und auf das Eintreffen des Königs gewartet wurde. Mein Vater, der damals 62jährige, war mit der Eisenbahn den Flößen vorausgefahren und kam nun auch an Bord, um mit durch die Hochablaßfloßgasse zu fahren. Nachdem in den ersten Nachmittagsstunden der König nach Besichtigung des Wehres auf dem Steg Aufstellung genommen hatte, wurde die Weisung zur Durchfahrt gegeben. Diese ging glatt vor sich, wenn auch Floß und Flößer für kurze Zeit im Strudel verschwunden waren.

Die Flöße fuhren bis Lechhausen weiter, wo sie anlegten und die gänzlich durchnäßten Männer sich umziehen konnten. Durch einen Boten des Königs kam ihnen dann die Nachricht zu, daß sie – als Anerkennung für ihre Leistung – im „Stockhaus“ (das war die alte Augsburger Flößerherberge in der Maximilianstraße) zechfrei gehalten würden. In diese Freude fiel ein Wermutstropfen, da einer der Floßknechte verhaftet wurde. Man hielt ihn wohl für einen Attentäter, der dem König ein Leid antun wollte. Die Ursache: er trug mit seiner Reisetasche auch seinen großen, einen halben Meter langen Bohrer mit sich, den er auf dem Floß zum Bohren der Löcher in Baumstämme und Bretter zur Herstellung der notwendigen Verbindungen benötigte. Da die Polizei am Tage des Königsbesuches ein besonderes Augenmerk auf alle „Waffenträger“ hatte, erschien der gute Mann mit seinem großen Bohrer verdächtig. Als sich dann alles herausgestellt hatte, kam er verspätet doch noch zum genüßlichen Mahl ins Stockhaus.“


(Quelle: Herbert Sieber, Manuskript, Privatbesitz)