2.4 Eine letzte Fahrt für den letzten König

Am 9. Juni 1914 präsentierten die Flößermeister Karl und Konrad Petz mit ihren Floßknechten am Augsburger Hochablass eine besondere „Showveranstaltung“ für das bayerische Königshaus. Es sollten die letzten Flöße sein, die die dortige Floßgasse passierten…

1914 erlebte die Fuggerstadt ein ganz besonderes „Highlight“: Augsburg war neben Regensburg, Passau, Würzburg, Ansbach, Bayreuth, Bamberg und Aschaffenburg eine der bayerischen Städte, für die König Ludwig III. (1845-1921) und seine Familie einen Besuch geplant hatten. Während der schwäbischen Metropole diese Ehre noch zuteil wurde, machte - nur wenige Tage später - am 28. Juni 1914 das Attentat von Sarajevo und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs alle weiteren geplanten Besuchsreisen Ludwigs III. zunichte.

Obwohl die königliche Familie nur einen einzigen Tag in der Stadt verbrachte, hielten die Vorbereitungen dieses Großereignisses den Augsburger Magistrat seit Anfang 1913 in Atem. Neben dem enormen finanziellen (35.000,- Mark) und personellen Aufwand war es vor allem das minutiös ausgearbeitete Besuchsprogramm, das der Hofetikette, aber auch den Interessen des Herrschers entgegenkommen sollte. Der bayerische Monarch - Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1896) und Ehrendoktor verschiedener Universitäten - war Zeit seines Lebens sehr an wissenschaftlichen, v. a. aber an technischen Themen interessiert. Ein Besuch des 1912 fertiggestellten neuen Hochablasses und des Floßhafens durfte daher im Programm nicht fehlen.

Am 9. Juni 1914 traf der König mit seiner Ehefrau Maria Theresia, seinen fünf Töchtern, Gefolge und Dienerschaft um Punkt 9.00 Uhr mit einem Hofsonderzug am Augsburger Hauptbahnhof ein. Nach einem kleinen Empfang durch die Würdenträger der Stadt zogen die Mitglieder des Königshauses bei „Schnürlregen“ im offenen Hofwagen durch die festlich geschmückten und dekorierten Straßen – von der Bahnhofstraße über den Königsplatz und die Bürgermeister-Fischer-Straße zum Rathaus. Dabei bildeten ca. 3.500 Feuerwehrmänner, Turner, Mitglieder von Jugend- und Soldatenvereinen und ca. 10.000 Schülerinnen und Schüler dem Gefolge Spalier. Es folgte ein feierlicher Empfang im Goldenen Saal des Rathauses mit Enthüllung einer Ehrenbüste als Höhepunkt. Nach einer Erfrischung im Hotel Drei Mohren – der komplette 1. Stock des Hotels wurde dabei für sonstige Hotelbesucher gesperrt – und einer Stadtrundfahrt in eigens bereitgestellten Automobilen besichtigte der König den Lechwehrbau am Hochablass. Neben einem inszenierten „Volksfest“, auf dem ein Ballon der Riedinger´schen Fabrik in die Lüfte stieg und Andenkenbilder abwarf, war auch das Durchlaufen von Flößen in der Floßgasse als Attraktion vorgesehen.

Obwohl die Flößerei um diese Zeit keinerlei Bedeutung mehr hatte, waren beim Neubau des Hochablasses auch Floßhafen und Floßgasse aufwendig erneuert worden – eine Fehlinvestition, wie sich bald herausstellte. Auf dem Lech, der 1865 mit über 4.300 Flößen die größte Anzahl in seiner Geschichte zu verzeichnen hatte, wurden 1910 noch ganze 21 registriert. (a) Die Stadt täuschte den bayerischen Monarchen über den aktuellen Stand der Dinge hinweg: Für den besonderen Anlass „aktivierte“ man zwei Flößermeister aus Prem am Lech, um dem König das Schauspiel einer intakten Flößerei zu vermitteln. (c) (f und g)

Dem König gefiel´s. Bei der Durchfahrt der mit Tannenreisig geschmückten Flöße ermahnte er das Personal, „nur recht vorsichtig zu fahren“. (b) Diese gerieten jedoch in einen Strudel, mussten völlig durchnässt in Lechhausen anlegen und ihre Kleidung wechseln. Sie wurden für ihre Mühen vom Königshaus mit einer Brotzeit entschädigt. (d und e) Die Gedenktafel am Pfeilerkopf des alten Hochablasswehrs, die der König zum „9. Juni 1914“ schließlich noch enthüllte, hält somit zwei historische Ereignisse fest: den letzten Besuch des bayerischen Königs und das Ende der Lechflößerei in Augsburg. Nach diesem Tag passierte kein weiteres Floß mehr den Augsburger Hochablass.

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