2.2 Der Fund aus dem Fluss

Ein Objekt der besonderen Art ist die im Stadtarchiv verwahrte Metallkassette mit Dokumenten zum Bau des „Goggeles-Wehrs“ an der Wertach in Pfersee. Ihr Fund ist einem aufmerksamen Baggerfahrer zu verdanken. Ein emotionales Zeitzeugnis – über Anfang und Ende eines beliebten Augsburger „Wahrzeichens“.

Diese wertvolle „Zeitkapsel“, die im Jahr 1920 mit dem Grundstein in das Fundament des Bedienungs- und Fußgängerstegs eingemauert wurde, enthält typische Unterlagen, die Geschehnisse der Zeit zur Erinnerung für nachfolgende Generationen dokumentieren. Neben einer „Urkunde“ mit detailliertem Baubericht vom 2. Oktober 1920 wurden von den Zeitgenossen historische Fotos zum Baufortschritt, Wertmarken (als Geldersatz der Inflationszeit) und aktuelle Tageszeitungen hinterlegt. Die erkennbaren Spuren der Zerstörung sind nicht nur dem „Zahn der Zeit“ geschuldet, sondern stammen auch von der Baggerschaufel beim Abriss des Wasserwehrs.

Bereits seit dem 16. Jahrhundert sorgte an der Wertach ein Anstich und ein Wehr auf der Höhe Göggingens für die Ableitung des Flusswassers in den Holz- und Senkelbach, der bereits im Mittelalter zahlreiche Mühlen in der Stadt Augsburg antrieb und deren gleichmäßige Wasserversorgung gewährleistete. Die Anlage bestand ursprünglich aus einem hölzernen, schräg im Wasser liegenden Streichwehr. Im Lauf der Jahrhunderte grub sich die Wertach durch dieses Stauwehr immer tiefer in das Flussbett ein und erzeugte zuletzt mit 5 Metern Gefälle einen eindrucksvollen Wasserfall. Zugleich hatte aber das Wertachtal zwischen Gögginger und Pferseer Straßenbrücke stark unter Hochwasser zu leiden. Nach Beschluss der Stadtverwaltung im Jahr 1918 sollte eine Tieferlegung der Dammkrone des Pferseer Wertachwehres Abhilfe schaffen und für eine durchgreifende Flussregulierung sorgen. Damit waren auch weitere Korrekturen der mit der Wertach in Verbindung stehenden Bäche und Kanäle nötig (u. a. Verlängerung des Senkelbachs bis nach Göggingen, Neuanlage des Wertachkanals mit Kraftwerk).

An die Stelle der älteren Wehranlage bei Pfersee trat nun ein Stauwehr, das in den Jahren 1919–1922 von der Münchener Tiefbauunternehmung Sager & Wörner nach Entwürfen der Architekten Holzer und Kurz aus Stahlbeton konstruiert wurde. 420 Arbeiter waren auf dieser Baustelle durchschnittlich im Einsatz, ein Großteil der Maßnahme wurde als „Notstandsarbeit“ an beschäftigungslose Kriegsheimkehrer vergeben. Die rasante Inflation der Nachkriegsjahre ließ die veranschlagten Baukosten – 2 Millionen Mark – bis zur Fertigstellung auf das Fünffache anwachsen. Das neue Wehr bestand aus einem 35,8 m breiten Überfallwehr und einem 8 m breiten Schleusenwehr. Der Bedienungssteg für das Wehr konnte zugleich als Fußgängersteg genutzt werden. Ein pavillonartiges, überdachtes Schleusenhäuschen, das ein Wetterhahn aus Blech zierte, gab der Augsburger „Goggeles-Brücke“ seinen populären Namen und machte die Brücke zu einem beliebten Ausflugsziel.

Leider hat sich ein in der Urkunde der Grundsteinkassette ausgesprochener Wunsch nicht erfüllt:
„Möge das bedeutungsvolle Werk – als Wahrzeichen deutscher Kraft und Zähigkeit in schwerer Zeit – viele Jahrhunderte bestehen und der Stadt Augsburg zu Nutz und Segen gereichen!“

Bereits einige Jahrzehnte nach seiner Errichtung waren die ersten Sanierungsarbeiten nötig, 1982 musste der Steg sogar wegen Einsturzgefahr gesperrt werden. Als Maßnahme gegen die weiter fortschreitende Tiefenerosion und zur Revitalisierung des Flusses beschloss der Stadtrat 2004 schließlich den Abriss der Wehranlage, dem ein weiteres schweres Hochwasser im Februar 2005 zusätzlich Vorschub leistete. Die „Goggeles-Brücke“, ein inzwischen beliebtes Fotomotiv, wurde im Zuge dieser Baumaßnahme demontiert und fand im Augsburg Zoo eine neue Bleibe. Die Fußgänger in Pfersee hoffen seither auf eine adäquate Ersatzlösung, die hoffentlich genauso eine Herzensangelegenheit wird wie ihre früheren Vorgänger.

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