Wasserkraft, Wehranlagen, Kanäle

Augsburg hat seine Rolle als einstmals bedeutende Handelsstadt im Süden des Alten Reichs zum Großteil der Überfülle an Wasser und der effizienten Nutzung der Wasserkraft zu verdanken. Mit ersten Wasserbau-, Wehr- und Kanalanlagen für gezielten Wasser-, aber auch Abwassertransport profitierten Bewohner, Handwerks- und Gewerbebetriebe schon im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit vom Wasserreichtum der Flüsse Lech und Wertach.

Vor dem großen Hochwasser von 1346 dienten ausschließlich Quellbäche (die sog. Brunnenbäche) zur Speisung von Mühlen und Stadtgräben. Danach entstanden Wassereinleitungs- und wehranlagen – zunächst am Lech (unterer Lechanstich 1346 am sog. Hohen Ablass und oberer Lechanstich am Lochbach), später an der Wertach (Wertachanstich und Wertachwehr 1589). Auch wenn für den Bau eines Dammsystems und der ersten Lechkanäle im Mittelalter Quellenbelege fehlen, machen die in den städtischen Rechnungsbüchern ab 1320 festgehaltenen Ausgaben für „wassergepau und werkh“ deutlich, wie wichtig die Regulierung der Wassermengen in Augsburg war. Mit dem Bau von Wassertürmen und Hebewerken beginnt ab 1412/1416 die systematische hydrotechnische Entwicklung ausgeklügelter Brauch- und Trinkwassersysteme sowie städtischer Brunnenwerke zur Wasserversorgung.

Im Lauf der Jahrhunderte blieb der Lech zwar ein Wildfluss, für Hochwasserschutz und Nutzung der Wasserkraft wurde er jedoch zunehmend kanalisiert. Im 19. Jahrhundert erfüllten die Stadtbäche, die aus dem Lech in die untere Stadt „gehoben“ wurden, die Funktion von Werk- und Triebwerkskanälen. Um 1850 zählte man über 100 Triebwerke mit rund 200 Wasserrädern, die im 20. Jahrhundert durch Turbinen abgelöst wurden. Ein gezielter Ausbau erweiterte und veränderte bis in die 1920er Jahre das Bach- und Kanalsystem zum Teil erheblich. In der Folge vollzog sich Augsburgs Aufschwung zu einer der wichtigsten Industriemetropolen in Bayern, die der Stadt den Beinamen „Deutsches Manchester“ einbrachte. Der bis 1850 andauernde „Gründungsboom“ von Textil-, Metall- und Energieunternehmen machte die Stadt auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig. Vor allem die Textilindustrie wurde zum Markenzeichen Augsburgs und hielt sich bis in die 1960er Jahre, der Krisenzeit der weltweiten Textilmärkte.

Ab 1950 wurde das Kanalnetz der Hauptzuflüsse im Stadtwald noch einmal deutlich erweitert. So sorgt heute ein weitverzweigtes Netz von (meist künstlichen) Wasserstraßen dafür, dass insgesamt 47 Lechkanäle und Quellbäche (u. a. Lochbach, Stadtbach, Schäfflerbach, Proviantbach) Wasser auf rund 123 km Länge vom Lochbachanstich und vom Lechwehr (Hochablass) in die Stadt bringen. Sie werden durch die Wertachkanäle (z. B. Senkelbach, Herrenbach) und v. a. die Singold mit einem Wasserlauf von insgesamt fast 34 km Länge ergänzt.

Die für Augsburg wichtigste Stau- und Wasserbauanlage, der schon 1379 in den Quellen belegte und seit 1552 am heutigen Standort befindliche Hochablass, bestand noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus einem niedrigen Streichwehr im Lech, zwei Einlaufbauwerken und einer Floßgasse. Erst nach dem Jahrhunderthochwasser des Jahres 1910 wurde eine massive Stahlbetonkonstruktion errichtet, die bis 1970 zwei Ausbesserungen erfuhr. Am östlichen Ende des Stauwehrs ging nach Umbaumaßnahmen 2013 ein neues Wasserkraftwerk der Stadtwerke Augsburg in Betrieb.