Das Augsburger Bürgertum im Zeitalter der Aufklärung

Band 06

Franz Herre

Das 18. Jahrhundert sah die Freie Reichsstadt Augsburg nicht in der Blütezeit ihrer geschichtlichen Bedeutung, sondern in einem Stadium des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Niedergangs. Es mag auf den ersten Blick lohnender erscheinen, goldene Tage zu betrachten. Doch wir sind heute hellhörig geworden für die Herbstgezeiten. Uns beginnen die Menschen näherzurücken, die gegen die Mißgunst des Schicksals anzukämpfen hatten. Das Augsburger Bürgertum im Zeitalter der Aufklärung hat seine Probe bestanden. Die Weltgeschichte war über die Stadt hinweggeschritten: sie blieb als unauslöschbare Spur an ihrem Wege zurück. Die Aufklärung, erster Akt und Leitmotiv der neuen Zeit, pochte an die Tore. Die Auseinandersetzung des Augsburger Bürgertums mit dem modernen Geist, der als Fremder kam, ist das Thema dieses Buches, das damit nicht nur eine Lücke der Augsburger Stadthistorie schließt, sondern auch einen Beitrag zur deutschen Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts liefert. Die geistige Struktur der Reichsstadt war - wie im ersten Teil der Untersuchung dargelegt wird -der Aufklärung nicht günstig. Verwurzelt in der Vergangenheit, deren überkommene Formen schon den All tag bestimmten, und unerschütterlich - ob Katholik oder Protestant - dem Glauben der Väter ergeben, war der Augsburger Bürger konservativ in allen Lebensäußerungen. Dadurch ist die Voraussetzung gegeben für eine fruchtbare Tätigkeit auf allen Ge bieten der Geschichtsforschung und der Historiographie, die in den beachtlichen Werken der beiden Paul von Stetten gipfelt. Der Abwehrposition gegen die Aufklärung, vom kritischen Deuter in unseren Tagen als ein Positivum gewertet, haftete jedoch viel Unzulängliches an. Eingekeilt in zopfige Vorurteile, litt der Geist Atemnot. Um so höher zu werten ist die emsige Tätigkeit, die sich in den Bereichen, denen vornehmlich die Kulturarbeit der Aufklärungsepoche galt, trotz aller ungünstigen Bedingungen entfaltete. Der zweite Teil des Buches gibt eine detaillierte Darstellung der „Literatur und Wissenschaft im bürgerlichen Leben". Der Philosophiehistoriker Jakob Brucker, der Pädagoge und Polyhistor H. A. Mertens, der Allerweltsgelehrte Zapf und der Mechanikus und Mathematiker Brander haben eine Via media zwischen Altem und Neuem, zwischen den Grundlagen des Augsburger Bürgertums und dem modernen Geist ein gehalten. So hat die Reichsstadt im Zeitalter der Aufklärung ein durchaus eigenständiges Antlitz aufzuweisen, dessen Züge mitunter bis heute für das Augsburger Leben bestimmend geblieben sind. Ein umfangreicher wissenschaftlicher Apparat vervollständigt das Werk, in dem Stein auf Stein zu einem farbenreichen Mosaik deutscher Kulturgeschichte gefügt ist.

erschienen 1951

Preis: 5,80 €