Bäcker, Brot und Getreide in Augsburg
Band 31
Bernd Roeck
In Europa kam dem Brot als Gabe Gottes lange Zeit eine religiöse Bedeutung zu, die wir heute in ihrem Inhalt und Ausmaß kaum begreifen können. Als wichtigstes Nahrungsmittel des Menschen spielte es auch im alltäglichen Leben eine herausragende Rolle: In den Quellen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit taucht es häufig als ein Gegenstand abergläubischer, zauberischer Beschwörungen auf. Für den »kleinen Mann« war der Erwerb des täglichen Brots eine Existenzfrage. Einen ausreichenden Vorrat an Getreide zu halten, bildete auch einen Schwerpunkt jeder städtischen Sozial- und Wirtschaftspolitik. Denn die Geschichte lehrt, daß Mangel an Brot und Preissteigerungen bei den sogenannten Grundnahrungsmitteln oftmals zu Revolutionen führten. Am Beispiel Augsburgs untersucht Bernd Roeck die Probleme, denen sich die kommunalen Behörden der Reichsstadt in ihrem Bemühen, ihre Bürger ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, gegenübergestellt sahen. Die Stadt der Fugger und Welser war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine mitteleuropäische Metropole mit mehr als 45000 Einwohnern. Pestepidemien und Dreißigjähriger Krieg rafften fast zwei Drittel der Bevölkerung dahin. Belagerungen und ihre Drangsale, zerstörte landwirtschaftliche Anbauflächen und Wertverfall des Geldes stellten die reichsstädtische Verwaltung vor nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten. Bernd Roeck geht in seiner Untersuchung auch der Frage nach, was der städtische Rat tat, um unter solchen widrigen Umständen die ausreichende Versorgung der Stadt zu sichern. Die Getreideernten in der unmittelbaren Umgebung Augsburgs und die Vorräte einzelner Bürger und der Handwerke beeinflußten die Kommunalpolitik maßgeblich. Erfolg oder Scheitern des Rats hing indessen auch von der Finanzkraft der Gemeinde ab. Der reichsstädtisch-augsburgische Haushalt, den Bernd Roeck rekonstruiert hat und hier erstmals vorlegt, ist in diesem Zusammenhang besonders aufschlußreich. Ihm ist zu entnehmen, daß sich die Stadtverwaltung unter anderem zu Exportbeschränkungen und Preistaxen, zur Kontrolle des Handels und zur Erhebung von »Getreideungeid«, einer besonderen Form der Steuer, entschließen mußte. Auf diese Weise sollte das Überleben der Bürger gesichert und das Elend und die Armut gelindert werden, denn Kontributionen und Kriegsausgaben hatten das Budget der Stadt schwer belastet.
Besonders aufmerksam widmet sich der Verfasser in seiner Darstellung den Augsburger Bäckern jener Zeit. Folgende Fragen stehen hier im Mittelpunkt seiner Erörterungen: Wie viele Lernknaben und Gesellen hatten die Bäcker der Reichsstadt? Wie hoch war ihr Einkommen? Wie gestaltete sich ihr Tagesablauf? Welche Brotsorten buken sie? Wie war der Verkauf der Backwaren organisiert?
Methodisch an den Ansätzen der neueren Sozialgeschichtsschreibung orientiert, vermittelt Bernd Roeck einen Einblick in den Alltag einer Großstadt des 17. Jahrhunderts: Wie lebten die Menschen in jener Zeit? Was aßen sie? Was stand ihnen zur Deckung ihrer grundlegenden Bedürfnisse zur Verfügung? Der Autor hat die schriftlichen Zeugnisse sorgfältig ausgewertet und vor dem historischen Hintergrund der Zeit des 17. Jahrhunderts einen fundierten Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Augsburgs von beispielhaftem Rang geschrieben.
erschienen 1987
Preis: 9,80 €