Das Augsburger Pfand- und Leihhaus – eine städtische Kreditanstalt mit über 400 jähriger Geschichte

Durch die Zunahme von Handel und Verkehr im Mittelalter stieg auch das Kreditbedürfnis der Fürsten, Städte, Kaufleute und Handwerker außerordentlich an. Neben den Finanz- und Wechselgeschäften reicher Bankiers- und Handelsfamilien etablierten sich seit dem 14. und 15. Jh. in England, Frankreich und vor allem in Italien Leihanstalten zur Darlehensvergabe. Als „Montes pietatis“ („Monte di Pietà“, „Berg der Barmherzigkeit“) unterstützten die von den Franziskanern gegründeten Einrichtungen bedürftige Personen und wandten sich gegen „Wucherer“, speziell gegen jüdische Pfandgeschäfte.

Kriegs- und Krisenzeiten Ende des 16. Jahrhunderts veranlassten auch den Augsburger Rat, der übermäßigen Zinsnahme durch die in der Umgebung Augsburgs sesshaften Juden mit der Gründung einer öffentlichen städtischen Leihanstalt entgegenzutreten. Nach ersten Versuchen einer Darlehensvergabe an Bedürftige über das Almosenamt und Erkundigungen bei entsprechenden Einrichtungen in Italien (1573/99) folgte am 6. März 1603 der Ratsbeschluss zur Errichtung eines Leihauses. Dabei dienten zunächst eine Kammer und der Dachboden des Almosenhauses, das sich auf dem Areal des heutigen Stadttheaters befand, als Verwahrort für die noch spärlichen Pfänder. Zur Abwicklung des Leihgeschäfts und sicheren Aufbewahrung der Versatzstücke wurden ein Verwalter und ein Gegenschreiber bestellt, die ein Jahresgehalt von 200 bzw. 150 Gulden erhielten, aber auch eine Kaution von 2.000 Gulden zu hinterlegen hatten. Die Pfänder wurden gegen   5 % Zins für die Laufzeit eines Jahres übernommen und danach bei Nichtauslösung versteigert. Bereits 1605 war der Betrieb so erfolgreich, dass ein eigenes Haus neben dem Hl.-Kreuz-Kloster zur Unterbringung der Pfänder errichtet werden musste, für das der Stadtbaumeister Elias Holl die Entwürfe lieferte (Lit. F 185). Das Vermögen der Anstalt stieg aus den laufenden Geschäften und anfallenden Zinsen rasch auf über 44.000 Gulden im Jahr 1632 an. Der Dreißigjährige Krieg, der den Überschuss zur Deckung der defizitären Stadtkasse und Linderung der allgemeinen Geldnot abforderte, ließ das Kapital bald rapide schrumpfen eine erste Schließung der Anstalt im Jahr 1663 war die Folge.

Der dadurch bedingte enorme Anstieg von Wuchergeschäften in und außerhalb der Stadt machte die dringende Notwendigkeit einer Neugründung deutlich, mit der sich seit 1718 auch eine Ratsdeputation intensiver befasste. Allerdings vergingen noch einige Jahre, bis das zum Geschäftsbetrieb notwendige Startkapital (20.000 Gulden) von Augsburger Stiftungen und Handelsleuten sichergestellt werden konnte. Das 1732 neuerlich eröffnete Pfand- und Leihhaus, das der Verwaltung von städtischen Räten und Kaufleuten unterstand, erhielt eine neue Ordnung, die bis 1891/1908 in Anwendung war. Der Erfolg der Anstalt ließ nicht lange auf sich warten: Das Vermögen stieg in der Folgezeit wieder rasch auf mehrere tausend Gulden an. Bis zum Jahr 1800 waren im Durchschnitt jährlich etwa 30.000 Versatzstücke gegen einen Darlehenswert von 145.000 Gulden ausgegeben und ein Überschuss von mehreren Tausend Gulden erwirtschaftet worden. Florierende Geschäfte und zunehmende Platznot machten im Jahr 1740 die Erweiterung der Räume um die beiden Böden oberhalb der Goldschmiedestube nötig, die 1778 städtischerseits zu Wohnungen für die Leihhausbeamten umgestaltet wurden (F 192).

Mit der Zivilbesitznahme durch das Königreich Bayern (1806) fand das Institut als nunmehr „Königliches Pfand- und Leihhaus“, das dem städtischen Verwaltungsrat unterstellt wurde (1811), seine unmittelbare Fortsetzung. Die Unterbringung der stetig wachsenden jährlich versetzten Pfänder in der Mitte des 19. Jahrhunderts jährlich etwa 100.000 Objekte  fand erst 1876 mit dem Umzug in die Räume des ehemaligen Jesuitenkollegs St. Salvator (später Militärreitschule, Jesuitengasse F 140) eine adäquate Verbesserung.

Neben dem Leihbetrieb der seit 1909 als „Leihamt der Stadt Augsburg“ bezeichneten Institution regelte eine Geschäftsordnung die Eigenschaft der zum Versatz zugelassenen Gegenstände, die einen materiellen Wert haben, nicht zu groß und nicht verderblich sein durften. So waren z. B. flüssige, leicht zerbrechliche und feuergefährliche Dinge z. B. Möbel, Spiegel, Gemälde, Bücher oder Pelzwaren, aber auch Sakralgegenstände oder Ehrenzeichen von der Annahme ausgeschlossen. In Zeiten von Epidemien wurden Kleider, Betten und tägliche Gebrauchsgegenstände wegen Ansteckungsgefahr abgelehnt. Der aktuelle Marktwert der Pfänder wurde durch einen Taxator bestimmt.

Die Zulassung von Fahrrädern, Nähmaschinen, Musikinstrumenten und größeren Objekten ab 1900 machte einen neuerlichen Umbau der Räume nötig (1904). Nach dem 2. Weltkrieg in den Gewölben des Hl.-Geist-Spitals (1949), ab 1999 in Räumen nahe der Kirche St. Max untergebracht, stellt das Leihamt mit 31. 12. 2018 seinen dortigen Betrieb ein. Ein deutlich gesunkenes Interesse und die Möglichkeiten moderner Online-Geschäfte lassen diese Einrichtung heute nach 415 Jahren nicht mehr zeitgemäß erscheinen.