Abgabe von Material an Besatzungsmitgl.

Dienstanweisung für das Gaswerk Augsburg-Oberhausen vom 2. Juni 1945

Seit dem 31. Dezember 1915 versorgte das neu erbaute städtische Gaswerk in Augsburg-Oberhausen die Kommune mit Leucht- bzw. Stadtgas. Aufgrund seiner strategischen Bedeutung als zentraler Energielieferant für die Großstadt konnte die Stadtgasproduktion während der beiden Weltkriege im Wesentlichen aufrecht erhalten werden.
Mit der kampflosen Übergabe der Stadt an die US-Truppen am Morgen des 28. April 1945 endeten der Zweite Weltkrieg und die NS-Zeit für Augsburg. Das öffentliche Leben war in der Folgezeit von den Erlassen der amerikanischen Militärregierung geprägt.

Das Gaswerk selbst war ohne nennenswerte Beschädigungen aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen. Als zentraler, ehemals kriegswichtiger Betrieb und Energielieferant unterstand das Werk zunächst der Verwaltung der amerikanischen Militärregierung. Enormer Personalmangel wegen des Kriegseinsatzes vieler Mitarbeiter, Plünderungen von Betriebs- und Brennstoffen sowie Verfügungen der Militärregierung erschwerten in den ersten Nachkriegsmonaten eine kontinuierliche Gasherstellung. Vom 30. Mai bis 3. Juni sowie vom 7. bis zum 28. August ruhte die Produktion auf Anordnung der Amerikaner vollständig.

Die vorliegende Dienstanweisung, auf den ersten Blick ein völlig alltägliches Schriftstück der Gaswerks-Direktion, fußt auf einer Vereinbarung, die mit dem „Sachbearbeiter für Versorgungsbetriebe bei der amerikan(ischen) Militär-Verwaltung, Herrn Major Stewart“ getroffen wurde. Sie regelt in wenigen Sätzen laut Betreff die – bis dato offenbar unkontrolliert abgelaufene – „Abgabe von Material an Besatzungsmitglieder“, die fortan nur noch gegen ordnungsgemäße Bestellscheine erfolgen durfte. Bemerkenswert ist der letzte Satz der Dienstanweisung „M(ajor) Stewart hat empfohlen, sich durch das Auftreten der Amerikaner nicht einschüchtern zu lassen“ (am linken Rand nachträglich markiert bzw. hervorgehoben).

Festzuhalten bleibt, dass das zunächst unscheinbare Dokument einen eindrucksvollen Beleg für die wirtschaftlichen Nachkriegsbemühungen der amerikanischen Militärregierung darstellt: Nur fünf Wochen nach Kriegsende sollte einer der wichtigsten Augsburger Versorgungsbetriebe wieder möglichst reibungslos betrieben werden. Ausdrücklich wurden die Mitarbeiter des Gaswerks dabei zu selbstbewusstem Auftreten gegenüber den amerikanischen Streitkräften und ihren Vertretern – trotz ihrer omnipräsenten Rolle als Sieger und Besatzer – angehalten.

Das Stadtarchiv hat nach der 2001 erfolgten Stilllegung des Gaswerks wesentliche Teile der reponierten Registratur des ehemaligen Gaswerks Augsburg-Oberhausen übernommen. Somit stehen der Forschung umfangreiche Unterlagen aus der knapp 100-jährigen Werksgeschichte zur Verfügung.
Das historische Fotomaterial vom ersten Spatenstich bis zur Fertigstellung der gesamten Anlage liegt beim Verein „Gaswerksfreunde Augsburg e.V.“ und ist auf der Homepage www.gaswerk-augsburg.de teilweise veröffentlicht.

von Tobias Brenner

Quellen:

  • Homepage www.gaswerk-augsburg.de; umfangreiche Dokumentation zur Geschichte des Gaswerks Augsburg-Oberhausen auf Basis von Dokumenten, Fotografien, Publikationen aus dem aufgelösten Werksarchiv sowie Zeitzeugenberichten
  • Tagebuch des Technischen Leiters des Gaswerks Augsburg, Hans Prölss, „Tag Null Tag Eins. Die letzten Kriegstage 1945 in Augsburg und die schwere Zeit danach“; Printversion vergriffen, Online-Publikation unter http://ds1.dreifels.ch/pinoy/page.asp?DH=81