5.1 Baden ohne Zwickel - Der Fall Elly Beinhorn

Nicht nur als „Heldin der Lüfte“ sorgte die deutsche Kunstfliegerin Elly Beinhorn (1907–2007) für Aufsehen. Als zunächst unerkannter Gast im Augsburger Familienbad geriet sie wegen ihrer freizügigen Bademode unter die strengen Augen einer Badewärterin – ein Vorfall, der für allgemeines Gelächter sorgte.

Die in Hannover gebürtige deutsche Pilotin, deren Karriere als Kunstfliegerin in Berlin begann, erlangte v. a. in den 1930er Jahren durch spektakuläre Langstreckenflüge nach Afrika und eine Weltumrundung im Alleinflug nationale Berühmtheit. Für einen Rekordversuch, der Überquerung zweier Kontinente in 24 Stunden, wurde Beinhorn auch auf die Bayerischen Flugzeugwerke (BFW, später Messerschmitt-Werke) in Augsburg aufmerksam. Dort nahm sie im Sommer 1935 eine Bf 108 in Augenschein, deren motorische Leistung und die Technik des Einziehfahrwerks sie begeisterten. Sie taufte das bisher noch unbekannte Sportflugzeug auf den Namen „Taifun“ und erprobte es zunächst auf Testflügen. Am 13. August 1935 flog Elly Beinhorn mit der Bf 108 von Deutschland nach Asien und wieder zurück, wobei es ihr gelang, die 3.470 Kilometer von Gleiwitz bis an den Bosporus innerhalb von 24 Stunden zurückzulegen. Auch für weitere Fernflüge stellten ihr die BFW bis zum Zweiten Weltkrieg die neusten Modelle des „Taifun“ zur Verfügung.

Beinhorns Popularität und nationale Berühmtheit, die sie seit den 1930er Jahren genoss, hatte sich offenbar unter den Augsburgern nicht überall herumgesprochen. Zu einem Vortrag über ihren aufsehenerregenden Eintageflug nach Istanbul in die Fuggerstadt eingeladen, nutzte sie die Gelegenheit für einen Erholungsaufenthalt im neu renovierten Augsburger Familienbad am Plärrer. Eine übereifrige Badefrau verwehrte ihr dort wegen der allzu knappen Badebekleidung den Zutritt und verwies dazu auf die im Deutschen Reich geltenden amtlichen Vorschriften.

Die Badepolizeiverordnung und der sog. „Zwickelerlass“ des Innenministeriums reglementierten hier seit 1932 das Verhalten beim öffentlichen Baden und die Form der Badekleidung im Detail. (b) Vor allem die seit den 1920er Jahren zunehmend knapper werdende Bademode der Frauen wurde als anstößig empfunden und daher in den Vorschriften genau definiert:

§ 1 (2) „Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt des Badeanzugs darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen. (…)“

Auch in den Augsburger Badeanstalten herrschte in diesen Tagen strenge Zucht und Ordnung. In sogenannten „Familienbädern“ wie jenem am Plärrergelände war z. B. auch für Männer anstandshalber das Tragen eines Badeanzugs vorgeschrieben.

Der „Zwickelerlass“, der als Symbol für kleinkarierte Parteipolitik und das unangemessene Eingreifen des Staates in persönliche Angelegenheiten galt, sorgte damals häufig für große Heiterkeit in der Presse. So schaffte es auch der Augsburger Vorfall nicht nur in verschiedene Lokalzeitungen (a), sondern füllte als Karikatur eine Seite in der politisch-satirischen Wochenzeitschrift „Kladderadatsch“.

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