Der Traum einer „Hafencity“

In der aufstrebenden Industriestadt Augsburg stellte der Lech mit seinen hydrotechnischen Schwierigkeiten - Geschiebemassen, Uferabbrüche, Eisstopfungen und Hochwassergefahren - noch im 19. Jahrhundert auch als Transportweg eine große Herausforderung dar. Dennoch wurde der Erweiterung der Kanalsysteme und Wasserwege eine hohe Bedeutung beigemessen.

Die Idee, eine Verbindung des Rheins mit der Donau und dadurch eine durchgängige Wasserstraße von der Nordsee bis an das Schwarze Meer zu schaffen, reicht bis weit ins Mittelalter zurück. Schon Karl der Große hatte im Jahr 793 den Traum, die europäische Wasserscheide durch Verbindung von Rezat und Altmühl zu überwinden. Trotz des Scheiterns dieses genialen Projekts blieb die Idee von der „Fossa Carolina“ immer aktuell. Besonders seit dem 19. Jahrhundert entstand eine Vielzahl von Gutachten, Denkschriften und Kostenberechnungen zur Schaffung neuer, schiffbarer Kanalbauten. Vorbilder hierfür waren die Kanäle in England, Frankreich und Holland, die sich als Verkehrswege für den Massentransport bewährt und entscheidend zur Förderung der Wirtschaft beigetragen hatten. Ähnliches sollte auch der in den Jahren 1836-1846 errichtete „Ludwig-Rhein-Main-Kanal“ leisten. Das ehrgeizige Bauvorhaben bewältigte auf 172,4 km mit über 100 Schleusen in den Flüssen Altmühl und Regnitz einen Höhenunterschied von 264 Metern. Doch der Transport war zeitaufwendig und unflexibel im Vergleich mit einem damals bereits erfolgreicheren Transportmittel: der Eisenbahn.

Auch in der Stadt Augsburg entwickelten sich bereits 1828 erste Pläne, über einen Schifffahrtskanal entlang des Betts der Friedberger Ache („Achkanal“) Lastschiffe von der Donau nach Augsburg zu leiten (a). In einem Gutachten hielt 1860 auch die staatliche Bauinspektion eine durchgängige Neuregulierung der Strecke vom Lech bis zur Donau und einen Ausbau für den Schiffsverkehr für realisierbar. Mit dem Beitritt Augsburgs zum „Süddeutschen Donauverein“  (1889) und zum „Verein zur Hebung der Fluss- und Kanalschiffahrt in Bayern“ (1893) erhielt die Idee des Lechausbaus unter dem Protektorat des bayerischen Königshauses entscheidende Impulse. Ingenieur Karl Albert Gollwitzer setzte sich bei der Stadt Augsburg dafür ein, dass alle künftigen Wasserbaumaßnahmen auf diese größeren Kanalbaupläne ausgerichtet werden sollten. Mittels Kanälen über die Wolfzahnau, Lechhausen und Oberhausen dachte er gar an eine Anbindung der Stadtgräben am Oblatterwall. Gollwitzers utopisches „Donauschiff im Augsburger Stadtgraben“ am Fünfgradturm, das er in einem Werbeplakat zu Papier brachte, blieb allerdings Utopie. Stattdessen forcierte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Bebauung der sog. „Klauckewiesen“ und eine Trassenführung über Lechhausen-Stätzling. Nach einer Stagnation im Ersten Weltkrieg gewann die Idee der Anbindung Münchens und Augsburgs an das Wasserstraßennetz - mit einer Nutzung der Ebene zwischen Lech und Lechrain am nördlichen Stadtrand, wo auch ein neuer Flughafen errichtet werden sollte -, neuerlich an Gestalt, wurde aber durch Trassenführung über das Altmühltal mit Einmündung des Kanals bei Kelheim hinfällig. Dennoch weist auch ein „Vorläufiger Entwurf zum Wirtschaftsplan für Augsburg und Umgebung“ aus dem Jahr 1941 (d) noch eine Freifläche zur Realisierung dieses Projekts aus. Eine Entscheidung des Staatsministeriums des Inneren stellte 1957 die Idee endgültig zurück. Auch der Vorschlag, zu gegebener Zeit eine Hafenanlage in Gersthofen - eine Weiterentwicklung von Gollwitzers erster Idee - in Betracht zu ziehen, fand letztlich keine Umsetzung. Als der Rhein-Main-Donaukanal in den 1960er bis 1990er Jahren Realität wurde, stand die Anbindung Augsburgs bereits nicht mehr zur Diskussion.