Friedenspreis 2025 an Dr. Josef Schuster verliehen
Augsburg hat einen weiteren Friedenspreisträger: Aus der Hand von Oberbürgermeisterin Eva Weber nahm Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, den „Preis Augsburger Friedensfest“ am gestrigen Montagabend vor rund 300 geladenen Gästen im Parktheater des Kurhauses Göggingen entgegen.
Verleihung des Augsburger Friedenspreises 2025 (von links): OB Eva Weber, Preisträger Dr. Josef Schuster, Laudator Prof. Dr. Norbert Lammert (Bundestagspräsident a.D.), Landesbischof Christian Kopp, Dekan Frank Kreiselmeier. Foto: Ruth Plössel/Stadt Augsburg.
Dr. Josef Schuster ist die 15. Person, die mit der Auszeichnung geehrt wurde, seit die Stadt gemeinsam mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1985 den Augsburger Friedenspreis erstmals verliehen hat. Alle drei Jahre wird er an Persönlichkeiten vergeben, die sich in herausragender Weise für ein gleichberechtigtes und friedliches Miteinander der Kulturen und Religionen einsetzen. In diesem Jahr wurde die Preisvergabe anlässlich des Jubiläums „375 Jahre Augsburger Hohes Friedensfest“ um ein Jahr vorgezogen.
Oberbürgermeisterin Eva Weber: „Frieden ist nicht nur ein Wort – er muss sich im Alltag bewähren“
In ihrer Begrüßung betonte Oberbürgermeisterin Eva Weber die historische Wurzel des Friedensfestes und die heutige Verpflichtung der Friedensstadt Augsburg zu Vielfalt, Dialog und friedlichem Zusammenleben. „Frieden entsteht nicht durch Einzelne, sondern bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Weber. Sie verwies auf den im April beschlossenen Aktionsplan gegen Antisemitismus, der jüdisches Leben in Augsburg sichtbar machen und schützen soll. „Schweigen darf nicht zur Kulisse für Intoleranz werden. Damit unsere Haltung sichtbar wird, müssen wir der Mitte mehr zutrauen und sie gleichzeitig stärker fordern“, sagte Weber.
Abschließend führte sie aus: „Besonders in diesen Zeiten zeigt sich leider auf der ganzen Welt, dass Frieden eine dauerhafte Aufgabe ist und bleibt. Die ‚Paxibile‘, die wir heute verleihen, steht dabei symbolisch für unsere Wertschätzung gegenüber allen, die sich dafür einsetzen, dass Frieden und Zusammenhalt gestärkt werden.“
Würdigung und Mahnung von Laudator Prof. Dr. Norbert Lammert
In seiner Laudatio würdigte Prof. Dr. Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D. und Vorsitzender der Konrad Adenauer Stiftung, den Preisträger als „eine unerlässliche Stimme für den interreligiösen Dialog und das gesellschaftliche Zusammenleben.“ Er hob hervor, dass Josef Schuster seit vielen Jahren eine verlässliche Stimme der Jüdinnen und Juden in Deutschland sei und sich dafür einsetze, jüdisches Leben selbstbewusst und lebensfroh zu gestalten. Mit Projekten wie „Meet a Jew“ und „Jewrovision“ habe Schuster Wege geschaffen, Vorurteile abzubauen und Begegnungen zu ermöglichen.
„Antisemitismus ist weder durch Meinungsfreiheit gedeckt noch durch Kunstfreiheit gerechtfertigt“
Mahnend ging Lammert auf die dramatische Zunahme antisemitischer Straftaten seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 ein. „Dass zu meinen Lebzeiten in Deutschland Wohnungen und Häuser jüdischer Bürger mit Davidsternen markiert und Brandsätze auf Synagogen geworfen werden, hätte ich mir bis vor kurzem nicht vorstellen können. Das findet aber statt. Dass auf deutschen Straßen und Plätzen tödliche, bestialische Angriffe auf Juden bejubelt und gefeiert werden, ist abscheulich und durch nichts zu erklären. Dass antisemitische Klischees und Ressentiments als Kunstwerke getarnt und auf öffentlich finanzierten, weltweit wahrgenommenen Kunstmessen gezeigt werden - das hat nicht nur den Zentralratsvorsitzenden empört. Doch er hat unmissverständlicher als manche anderen darauf aufmerksam gemacht, dass Antisemitismus weder durch Meinungsfreiheit gedeckt noch durch Kunstfreiheit gerechtfertigt ist.“
Auch positive Entwicklungen in Deutschland
Mit Blick auf die besondere Verantwortung Deutschlands sagte der Laudator: „Die Frage, wie ernst wir das ‚Nie wieder‘ meinen, muss die Gesellschaft beantworten. Und sie muss sie unmissverständlich beantworten. Der Test der Ernsthaftigkeit findet im Alltag statt.“ Er machte deutlich, dass die Sicherheit Israels und jüdischen Lebens Teil der deutschen Staatsräson sein müsse.
Trotz aller Herausforderungen verwies Lammert auf positive Entwicklungen wie die Jüdische Akademie in Frankfurt, die jüdische Militärseelsorge sowie neue Gemeindezentren und Synagogen, die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind. „Nicht alles, was sich zuletzt in Deutschland verändert hat, ist ein Fortschritt. Aber manches eben doch. Und manche Fortschritte sind demonstrativ. Preisverleihungen gehören dazu. Sie machen deutlich, was eine Gesellschaft herausragend findet, vorbildlich im Wortsinn ausgezeichnet. Der renommierte Friedenspreis von Augsburg geht in diesem Jahr an Josef Schuster und ich möchte ihm dazu herzlich gratulieren.“
Erinnerung an Friedenspreisträger Rabbiner Nathan Peter Levinson
In seiner Dankesrede zeigte sich Dr. Josef Schuster tief bewegt, in einer Reihe mit Persönlichkeiten wie Michail Gorbatschow und Richard von Weizsäcker zu stehen. Er erinnerte an Rabbiner Nathan Peter Levinson, Friedenspreisträger von 1991, als Vorbild für Brückenbau und Dialog: „Er hat mir vor Augen geführt, dass Dialog etwas bewirken kann – wenn er ehrlich und lösungsorientiert ist.“
Dr. Josef Schuster: „Juden waren nirgends so recht willkommen“
Der Preisträger spannte den Bogen von der Geschichte bis zur Gegenwart: Er erinnerte an den Augsburger Religionsfrieden von 1555, der Protestanten und Katholiken anerkannte, Juden jedoch ausschloss. „Juden waren nirgends so recht willkommen“, so Schuster und führte weiter aus: „Christlichen Antisemitismus gab es schon lange vor der Reformation. Doch zur Wahrheit gehört, dass Martin Luther entscheidend zu seiner Verbreitung beigetragen hat.“ Erst spät habe die Evangelische Kirche in Deutschland sich mit dem Antisemitismus ihres Kirchengründers befasst. „Umso wichtiger ist es, dass sie es getan hat. Ich bin ihr wirklich dankbar dafür.“
Besorgter Blick auf Zunahme judenfeindlicher Vorfälle in der Gegenwart
Der Zentralratsvorsitzende würdigte die Auszeichnung als „Aufruf zum Handeln“ und mahnte, dass Antisemitismus in Deutschland wieder deutlich zugenommen habe. Noch nie seit 1945 seien in Deutschland so viele judenfeindliche Vorfälle verzeichnet worden, wie in den letzten zwei Jahren. Auch kritisierte Schuster die Dämonisierung des Staates Israels und forderte eine klare und unmissverständliche Haltung gegen jede Form von Judenhass.
Auf Erfolge des interreligiösen Dialogs zurückschauen
Mit Blick auf den interreligiösen Dialog betonte Dr. Josef Schuster: „Wir haben viel erreicht. Wir Juden haben Freunde und Verbündete, auch und gerade in den Kirchen. Sie stehen seit Jahrzehnten an unserer Seite, wenn Juden in Deutschland angegriffen werden und Antisemitismus verbreitet wird. Wir dürfen ruhig auch mal stolz auf das Erreichte sein!“ Der Augsburger Friedenspreis sei für ihn ein „Aufruf zum Handeln. Denn Frieden entsteht nicht durch nette Worte und schon gar nicht durch betretenes Schweigen. Frieden kann nur entstehen, wenn wir ehrlich miteinander sind. Wir alle wollen Frieden, der nicht allein die Abwesenheit von Krieg ist. Frieden ist die Präsenz von Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und gegenseitigem Respekt. Gerade im interreligioösen Dialog müssen die Beteiligten sich deswegen klar von jenen distanzieren, die den Frieden untergraben. Das geschieht auch. Aber es muss noch mehr ins Bewusstsein aller dringen.“ (erz)
Mehr zur Friedenspreisverleihung und eine Bildergalerie finden Sie auf augsburg.de/friedenspreis