Das A. B. von Stettensche Institut

„Als ich wenig später eines Tages von der Philippine-Welser-Straße her um die Ecke bog, kam ich gerade dazu, wie die Mauern des ältesten Teils unseres alten Hauses, der Flügel hinter dem Barbarasaal, vom Rammbock eines gewaltigen Krans gestoßen, prasselnd in sich zusammenfielen. (…) Ich muß gestehen, mir wankten die Knie.“

                                                                                                                                  Reingart Kästner (Schülerin und Lehrerin am Stetten)
 

Der Abriss des alten Stetten-Instituts war nicht nur das Ende einer Ära, sondern für viele ehemalige Augsburgerinnen ein einschneidendes Erlebnis. Denn die Schule befand sich nicht immer am heutigen Standort am Katzenstadel, sondern bis zu ihrem Umzug im Jahr 1969 in alten Patrizierhäusern am Martin-Luther-Platz 3 in der Augsburger Altstadt.

Die Gründung der Schule ging auf die wohltätige Stiftung der am 19. Februar 1805 verstorbenen, kinderlosen Patrizierwitwe Anna Barbara von Stetten zurück. Diese hatte in ihrem Testament unter anderem verfügt, einen Teil ihres Vermögens für die Errichtung einer evangelischen Mädchenschule zu verwenden. Und so öffnete das A. B. von Stettensche Institut am 2. Januar 1806 in den ehemaligen Wohnhäusern der Stifterin für zunächst 21 Schülerinnen, davon 6 Stipendiatinnen, seine Pforten.

Nach dem Willen der Stifterin sollten die Mädchen in ihrer Schule lernen, „eine glückliche Gattin, eine verständige Mutter zu werden, und ihr Hauswesen mit Einsicht zu leiten“. Entsprechend zunächst als hauswirtschaftliche Schule mit angeschlossenem Internat konzipiert, entwickelte sie sich nach kurzer Zeit auf Betreiben der Eltern hin zu einer höheren Mädchenschule, in der unter anderem Französisch, Geografie, Geschichte und Mathematik, aber auch Singen und Kalligrafie unterrichtet wurden. Das Institut war nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch das Zuhause eines Teils der Schülerinnen, wie die Bilder aus dem Schlafsaal oder dem Speisezimmer erahnen lassen.

Bereits knapp 50 Jahre nach der Gründung war die Zahl der Schülerinnen so angewachsen, dass ein Umbau der ursprünglichen Gebäude und die Errichtung eines Erweiterungsbaus zwischen 1860 und 1862 notwendig wurde. Auch in den folgenden Jahrzehnten blieb die Schulstiftung eine Erfolgsgeschichte, so dass die Kapazitäten der Schulgebäude in den 1950er Jahren erreicht waren. 150 Jahre nach der Begründung der Schule war das Stetten-Institut auf 595 Schülerinnen angewachsen, so dass ein Umzug unvermeidbar wurde.

Diesem Einschnitt wurde durchaus mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. Einerseits war die Vorfreude auf ein modernes Schulgebäude mit genug Platz für die stark gestiegene Schülerinnenzahl groß, andererseits bot das Schulhaus mit seiner Geschichte einen Identifikationsort für mehrere Generationen von Augsburger Schülerinnen.

Im Herbst 1969 war es schließlich so weit, die Schülerinnen bezogen ihre neue Schule am Katzenstadel. Die alten Patrizierhäuser am Martin-Luther-Platz wurden an die Neckermann-Gruppe verkauft und für einen Neubau abgerissen, in dem sich heute eine Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof befindet. Heute besuchen das Stetten-Institut, das aus einem Gymnasium und einer Realschule besteht, über 1000 Schülerinnen.