Augsburg ist ältester römischer Stützpunkt in Bayern

09.06.2021 11:07 | Pressemitteilungen

Neue Ausgrabungsfunde der Stadtarchäologie bestätigen Frühdatierung auf 8 bis 5 vor Christus

Besonderes Fundstück: Eine vollständig erhaltene Öllampe aus Bronze, deren Griff als Mondsichel gestaltet ist, die wiederum von einer Büste des Sonnengottes bekrönt wird. - Bildnachweis: Monika Harrer/ Stadt Augsburg

  • Neue Ausgrabungsfunde der Stadtarchäologie
  • Artefakte von 400 Kilogramm
  • OB Eva Weber: „Die römischen Ursprünge sind seit jeher entscheidend für die Augsburger Identität“
  • Funde erlauben neue wissenschaftliche Aussagen
  • Schmuckobjekte zeigen: Auch Frauen im Lager
  • Legionäre aus dem gesamten römischen Reich
  • Kulturreferent: „Präsentationsform erarbeiten“

Augsburg blickt auf eine über 2000-jährige Stadtgeschichte zurück. Nach bisheriger Sachlage ließen die Römer bereits in den Jahren zwischen 8 und 5 vor Christus unter Kaiser Augustus ein Militärlager im neu eroberten Alpenvorland im heutigen Stadtteil Oberhausen errichten. Zahlreiche Neufunde, welche die Stadtarchäologie gestern bei einer Pressekonferenz präsentierte, scheinen diese Frühdatierung nun zu bestätigen und charakterisieren Augsburg als ältesten römischen Stützpunkt in Bayern. „Diese neuen Ausgrabungen führen uns erneut zurück an die Anfänge der über 2000-jährigen Stadtgeschichte“, begeistert sich Oberbürgermeisterin Eva Weber. „Die römischen Ursprünge unter Kaiser Augustus, den die Stadt bis heute im Namen trägt, sind seit jeher prägend und entscheidend für die Augsburger Identität.“

Artefakte von 400 Kilogramm

Die neuen Funde wurden bei der archäologischen Untersuchung eines künftigen Wohngebiets im Augsburger Stadtteil Oberhausen entdeckt. Sie lagen in einem römerzeitlichen Flussbett der Wertach, die um 1900 begradigt worden war. Mehrere 1.000 Kubikmeter Kies wurden durchsucht und förderten Waffen, Werkzeuge, Geräte, Schmuck, über 800 Münzen, Geschirr, Transportgefäße und vieles mehr zu Tage. Die geborgenen Fragmente und Artefakte mit einem Gesamtgewicht von über 400 Kilogramm stammen alle aus dem Militärstützpunkt, der im 1. Jahrzehnt vor Christi Geburt eingerichtet wurde. Die Funde sind teilweise stark korrodiert und bis zur Unkenntlichkeit verkrustet. Die Konservierung, Freilegung und wissenschaftliche Bearbeitung steht noch bevor. Dennoch konnten schon jetzt ausgewählte Funde vorgestellt und erste Überlegungen angestellt werden. Erstaunlich ist neben der Fundmenge vor allem die hohe Qualität zahlreicher Produkte (z. B. des Geschirrs aus Bronze, Keramik und Glas), die in Mittel- und Oberitalien sowie in Südfrankreich produziert wurden. Hervorzuheben ist etwa eine vollständig erhaltene Öllampe aus Bronze, deren Griff als Mondsichel gestaltet ist, die wiederum von einer Büste des Sonnengottes bekrönt wird.

Funde erlauben neue wissenschaftliche Aussagen

Bereits im Jahr 1913 stieß man bei der Kiesgewinnung auf dem Gelände in Oberhausen auf römische Funde, die in die Zeit kurz nach Eroberung des Alpenvorlandes (15 v. Chr.) datiert werden konnten. Damals unterblieb jedoch eine archäologische Dokumentation der Fundkontexte, so dass später zahlreiche Zweifel aufkamen und der Fundplatz die unterschiedlichsten Interpretationen erfuhr. „Die neuen Funde erlauben bei ihrer wissenschaftlichen Analyse nun zahlreiche neue Aussagen – nicht nur zur Funktion des Platzes, zur Herkunft und Zusammensetzung der Truppe und der Zivilisten, sowie zur Nachschublogistik – sondern vor allem auch zu seiner Datierung“, erklärt der Leiter der Stadtarchäologie, Dr. Sebastian Gairhos.

Schmuckobjekte zeigen, dass auch Frauen im Lager lebten

Eine vollständig erhaltene Silberfibel mit aufgesetzten plastischen Insekten etwa, zeigt neben anderen Objekten, dass auch Frauen im Lager gelebt haben. Mit der Halbierung von mehreren Kupfer- und Bronzemünzen, die in Lyon (Lugdunum) und Nimes (Nemausus) geprägt wurden, könnte ein Mangel an Kleingeld behoben worden sein. Alle Waren, wie auch viele importierte Lebensmittel (etwa Wein, Öl und Austern), mussten einen weiten Weg bis zum heutigen Augsburg zurücklegen, entweder über die Alpen oder flussaufwärts über Rhone und Saone. Von den notwendigen Transportmitteln zeugen noch ein vollständig erhaltener Eisenreifen eines Wagenrades und zahlreiche Amulette und Glöckchen vom Geschirr der Zug- und Reittiere. Ob die Versorgung der Menschen mit Rind- und Schweinefleisch ebenfalls über den Import des Fleisches beziehungsweise des lebendigen Schlachtviehs aus dem Süden erfolgte, oder ob der Bedarf lokal gedeckt wurde, dürfte die wissenschaftliche Analyse der zahlreich geborgenen Tierknochen beantworten.

Legionäre aus dem gesamten römischen Reich

Die Funde beweisen zudem, dass die „ersten Augsburger“ nicht alle aus Italien stammten. Viele Legionäre und Offizieren kamen von hier, aber auch aus Spanien, Nordafrika und Südfrankreich. Die Reitersoldaten waren in Gallien oder am Niederrhein rekrutiert worden. Einige Frauen dürften aus der Region des Alpenvorlandes und der heutigen Nordschweiz gestammt haben.

Frühdatierung des Stützpunkts auf 8 bis 5 vor Christus

Die neuentdeckten Objekte – chronologisch aussagekräftig sind vor allem Münzen und Importkeramik – scheinen die Frühdatierung des Stützpunkts im heutigen Oberhausen auf die Jahre zwischen 8 und 5 vor Christus zu bestätigen. Neben der militärischen Sicherung bestand die Aufgabe der Truppe im Aufbau der Infrastruktur. Gegen Ende der Regierungszeit des Kaisers Augustus (ca. 10 n. Chr.) wurde der Platz durch ein Militärlager für ca. 3000 Soldaten in der Augsburger Altstadt beim Stephansgarten ersetzt. Aus der schnell wachsenden Zivilsiedlung außerhalb des Lagers entwickelte sich die Siedlung Augusta Vindelicum, im Mittelalter Augustburch und schließlich die Stadt Augsburg, die immer noch den Namen des Kaisers trug, unter dem in Oberhausen der erste Stützpunkt eingerichtet wurde.

Kulturreferent: „Präsentationsform erarbeiten“

Kulturreferent Jürgen K. Enninger freut sich: „Mit den Funden aus dem römischen Militärstützpunkt bei Oberhausen wird die Gründungsphase Augsburgs und damit die wichtige politische und kulturelle Zäsur unter dem römischen Kaiser Augustus nun mit Händen greifbar. Die aufwendige Konservierung der Funde und ihre gründliche wissenschaftliche Auswertung stehen noch bevor, auf die Ergebnisse kann man aber schon jetzt gespannt sein. Basierend auf diesen Ergebnissen gilt es, entsprechende Präsentationsformen zu erarbeiten.“

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